«Die Leute wollen eingebunden sein und Mitverantwortung übernehmen können»
Besonders gravierend sei die Personalnot in Branchen, die schon vor der Pandemie Schwierigkeiten hatten, Leute zu finden, sagt Borer – zum Beispiel im Gesundheits- oder Schulwesen. «In den technischen Branchen hatten wir einen Fachkräftemangel.» Dieser habe sich verschärft: «Der Fachkräftemangel wurde abgelöst durch einen allgemeinen Personalmangel.»
Ein wesentlicher Treiber dahinter ist die Demographie: «In den nächsten zehn Jahren gibt es mehr Leute, die pensioniert werden, als junge Leute, die neu in den Arbeitsmarkt kommen.» Deshalb werde sich das Problem auch nicht von heute auf morgen erledigen, so Borer.
Auf dem Arbeitsmarkt finde eine «Umkehrung» statt: Leute seien nicht mehr auf Stellensuche wie früher – «sondern stellensuchende Personen werden gefunden». Dazu müsse sich ein Unternehmen neu erfinden und sich selbst ins Zentrum stellen. Im Fokus steht also nicht mehr die Rolle, die gesucht wird, sondern das Unternehmen als Marke. Das Unternehmen muss sich als Organisation positionieren, in der Stellensuchende arbeiten wollen – die Rolle sei dabei eher sekundär. Dazu gehört beispielsweise eine gute Firmenkultur – «eine, die mit dem Team kreiert wurde». Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter werden zu Botschaftern des jeweiligen Unternehmens. «Zum Beispiel sagen sie in einem Video, wieso sie gerne im Unternehmen arbeiten.» Das müsse authentisch rüberkommen – «sonst geht der Schuss hinten raus». Eine gute Firmenkultur müsse von innen gelebt werden und sei nicht einfach etwas, was ins Schaufenster gestellt werde.
Wer Leute mit Beschreibungen von Rollen sucht, die kaum jemand erfüllen kann, hat dagegen schlechte Chancen, welche zu finden. «Wenn man dann in die entsprechende Firma geht, sieht man, dass sie auch nur mit Wasser kocht. Aber nach aussen sucht man die eierlegende Wollmilchsau.» – «Was auch nicht mehr geht, ist eine Führungskultur, die nicht mehr zeitgemäss ist. Heute wollen die Leute eingebunden sein. Sie wollen Mitverantwortung übernehmen können, auch wenn sie nicht in einer Chefposition sind.» Eine Führungskultur, bei der von oben nach unten befohlen wird, «ist aus der Zeit gefallen», so Borer.
Ihm selbst geht die Arbeit als Wirtschaftsförderer nicht aus, im Gegenteil: «Es sieht erfreulich aus. Die Anfragen sind seit Anfang Jahr massiv angestiegen. Konkret gab es eine Verdoppelung der Anfragen.» Die meisten davon kommen aus der Region – oder aus der weiteren Region. «Eine Firma, die zügeln will, will in der Regel ihre Mitarbeitenden behalten. Das begrenzt den Suchradius.» In der Pipeline sei ein Ansiedlungsprojekt von zwei Firmen. «Wir sprechen von 150 bis 200 Stellen, die in die Region kommen könnten. Ich hoffe, wir können hier weitergehen. Es sieht sehr gut aus.» Mehr könne er erst sagen, wenn die Tinte unter den Verträgen trocken sei.