Ein Dorf feiert seine «Musig» – mit dem Motto «200 Johr zäme fiire»
Wynau 6. – 8. September: 200 Jahre MG Wynau mit Neuuniformierung
Bern, Burgdorf, Wynau. Aus der Hauptstadt, dem Regionalzentrum und dem beschaulichen Dörfchen im Oberaargau kommen die drei ältesten Musikgesellschaften im Kanton Bern. Eine erstaunliche Reihenfolge. Man hat im kleinen Bauerndorf am Dreieck der Kantone Aargau, Bern und Solothurn damals schon wahrgenommen, was sich in der Welt abspielt. Und auch gesehen, was auf der anderen Seite der Aare vor sich ging. Dort nämlich, im solothurnischen Fulenbach, gab es seit 1820 eine Dorfmusik. «Das war tatsächlich der Grund, wieso es in Wynau so frühe Bestrebungen gab, auch eine ‹Musig› auf die Beine zu stellen», betont Ruedi von Däniken, Vizepräsident im Jubiläums-Organisationskomitee und mit 44 Jahren Mitgliedschaft eines der Urgesteine des Vereins.
1912 wurde der Verein 33 Jahre älter
Doch zurück in die Gründerzeit der Musikgesellschaft Wynau. 1907 feierten die Wynauer fälschlicherweise das fünfzigjährige Bestehen ihrer Musikgesellschaft. Man stützte sich damals auf das älteste vorhandene Protokoll aus dem Jahr 1857. Als fünf Jahre später die Wynauer Kirche renoviert wurde, wurde auch das jahrzehntelang verschlossene, alte Burgerarchiv aufgebrochen. Zum Vorschein kamen Rechnungsbücher und handgeschriebene Noten, die belegten, dass die Wynauer Musikgesellschaft bereits 1824 gegründet worden war. Mit anderen Worten: 1912 wurde der Verein auf einen Schlag 33 Jahre älter.
Die Musikgesellschaft wurde 1824 auf Wunsch von elf musikliebenden «Knaben» mit der Unterstützung des damaligen Pfarrvikars Sulser gebildet, der zugleich auch ihr erster Dirigent war, heisst es in der Vereinschronik. Diese wurde zum Jubiläum von German Heiniger überarbeitet und ergänzt. Der 78-jährige Heiniger kennt die Geschichte «seiner» Musikgesellschaft aus dem Effeff, ist er doch seit exakt sechs Jahrzehnten aktiv dabei.
Höhen und Tiefen erlebt
Ist aus den ersten Jahren wenig bekannt, so muss die Wynauer «Musig» nach 1857 unter ihrem Dirigenten Jakob Richard grosse Fortschritte gemacht haben und weitherum als Festmusik aufgetreten sein. Mit der Wahl des Militärtrompeters Jakob Andres zum Dirigenten wurden am 14. März 1895 die musikalischen Ansprüche an die MGW-Mitglieder merklich in die Höhe geschraubt. Die Erfolge blieben nicht aus. Vom ersten Bernischen Kantonal-Musikfest 1906 in Interlaken kehrte die Wynauer «Musig» mit ihrem ersten Goldlorbeerkranz nach Hause zurück. Am eidgenössischen Musikfest 1923 erspielte sie sich den zweiten Goldlorbeer. Unter Hans Richard-Keller erlebte die Wynauer «Musig» in den Jahren 1926 – 1942 eine ihrer wohl erfolgreichsten Zeiten. So erreichte die damals fünfzig Mann starke MGW beim Aargauischen Kantonal-Musikfest 1929 in Aarau mit 142 Punkten den ersten Rang, am Bernischen Kantonal-Musiktag 1933 in Burgdorf den zweiten, am Eidgenössischen 1935 in Luzern den fünften.
Mit dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs brach auch bei der MGW eine ungewisse Zeit an. Der langjährige Direktor Hans Richard-Keller trat 1942 zurück, an einen regelmässigen Übungsbetrieb konnte nicht mehr gedacht werden. Doch die «Musig» fand zu alter Stärke zurück und trat bald wieder bei allen möglichen Festivitäten auf. So bei der prächtigen Jubiläumsfeier zum 125-jährigen Bestehen 1949 oder bei der Neuuniformierung von 1951, organisierte auch die Oberaargauischen Musiktage von 1959, 1977, 1995 und 2012. Herausragende Resultate bei Musiktagen konnte die MGW auch in jüngerer Zeit verzeichnen. Besonders hervorzuheben ist sicherlich das Resultat am Eidgenössischen von 2001 in Fribourg. In der 4. Klasse Harmonie erreichte die MGW mit ihrem Dirigenten Rudolf Mathys beim Expertisenkonzert den zweiten, in der Marschmusik sogar den ersten Rang. Unter ihrem aktuellen Dirigenten Roger Heutschi steht ein hervorragender achter Rang beim Expertisenkonzert (3. Klasse Harmonie) am Bernisch-Kantonalen Musikfest in Thun 2019 zu Buche, in der Marschmusik erreichte man dort den guten 21. Rang.
«Eindrücklich», findet Präsidentin Judith Schär, die dem Verein seit 1981 angehört, die Serie dieser guten Platzierungen. Noch viel eindrücklicher wird sie, wenn man bedenkt, dass die Gemeinde nie eine Musikschule hatte. «Die Musikgesellschaft hat ihren Nachwuchs immer selbst ausgebildet», betont sie stolz. Es sei wichtig, permanent ein Jugendmusikangebot zu haben. Auch wenn die Jugendmusik mittlerweile mit Roggwil zusammengelegt wurde, sagt die Präsidentin: «Mit der Jugendmusik geht es nach einer vorübergehenden Baisse langsam aber sicher wieder aufwärts».
Ein rauschendes Fest in neuem Kleid
Nach so viel Rückblick und einem hoffnungsvollen Ausblick zurück in die Gegenwart. Ihren 200. Geburtstag feiert die Musikgesellschaft mit einem rauschenden Fest, das gleich drei Tage dauert. Dabei hat das OK mit Daniel Schär an der Spitze in 3 Jahren eine grosse Arbeit geleistet und bei der Mittelbeschaffung viel Kreativität an den Tag gelegt. So wurden im Vorfeld beispielsweise zwei Paletten Spaghetti verkauft – die 500 Gramm-Packung mitsamt «Rezeptbüechli» gab´s für ein Zehnernötli.
Und natürlich auch ein attraktives und vielfältiges Festprogramm aufgegleist, das für Gäste jeden Alters etwas bietet. Highlight am Freitag, 6. September, ist sicherlich der Jubiläums-Festakt ab 19.45 Uhr, bei dem sich die Wynauer «Musig» im Verlauf des Abends erstmals in ihrer neuen Uniform zeigen wird. Wie die sechste Uniform in der Geschichte der MGW aussehen wird, bleibt natürlich bis zum Festakt ein gut gehütetes Geheimnis. Musikalisch umrahmt wird der Festakt von der bestens bekannten «Wiggertaler Blaskapelle». Anschliessend bis in die frühen Morgenstunden Tanz und Party mit der Surprise Band.
Der Samstag steht zu Beginn ganz im Zeichen des Blasmusik-Nachwuchses. Beim Oberaargauischen Jugendmusiktag wetteifern insgesamt zehn Jugendmusiken in zwei Kategorien um Punkte und Bestnoten. Freuen dürfen sich Blasmusikfreunde sicherlich auf den imposanten Auftritt des Gesamtchors um 15.15 Uhr. Ein weiteres Highlight folgt um 17 Uhr mit dem Jubiläumsumzug unter dem Motto «200 Johr zäme fiire». Dreissig Nummern, davon zehn Musikgesellschaften, zählt der Umzug, rund 800 Personen marschieren mit. Auch der Abend steht ganz im Zeichen der Musik. In der Lindenhalle gibt das Spiel der Kantonspolizei Bern ab 20 Uhr ein Galakonzert, bei dem auch der Tambourenverein Langenthal einen Showblock bieten wird. Für die jüngeren Gäste legt DJ Steichlopfer an der «Vouhaneparty» in der alten Turnhalle ab 21 Uhr auf.
Abgeschlossen wird das grosse Fest am Sonntagmorgen mit einer Musik-Predigt ab 9 Uhr und anschliessendem Jubiläums-Brunch mit musikalischer Unterhaltung durch «Soundso». Fazit: Den Gästen wird in beim aussergewöhnlichen Jubiläumsfest in Wynau – welcher Verein darf denn schon auf eine 200-jährige Vergangenheit zurückblicken – viel, sogar sehr viel geboten. Eine Ansicht, die auch Präsidentin Judith Schär teilt. «Es ist ein würdiges Fest. Für das Dorf und mit dem Dorf». Sie hoffe auf gutes Wetter, «dann wird es ein richtig gutes Dorffest».