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Wo sauberes Wasser gemacht wird – für sieben Gemeinden aus drei Kantonen

Das bislang grösste Bauprojekt in der Geschichte des Abwasserverbands Aarburg (AVA) ist weitgehend abgeschlossen. Am kommenden Samstag, 21. September, kann die Kläranlage von 11 – 15 Uhr besichtigt werden. Eine grosse Zäsur steht dem Verband kurz bevor. Der langjährige Geschäftsleiter Erich Schnyder wird sein Amt auf Ende Jahr seinem Nachfolger übergeben.

Aarburg 21. September, 11 – 15 Uhr: Tag der offenen Tür bei der Kläranlage Aarburg

«Jetzt sind wir für die nächsten 25 Jahre gut gerüstet», betont Erich Schnyder, Geschäftsführer des Abwasserverbands Aarburg. Eben erst wurde auf der Kläranlage, die sich unweit der Wiggermündung befindet, das bislang grösste Bauvorhaben in der Geschichte des Verbands fertiggestellt. Fast 20 Mio. Franken wurde in einen Neubau mit komplett neuer Technologie für die biologische Reinigungsstufe investiert. «Kapazitätsmässig stiess die Anlage seit einigen Jahren an ihre Grenzen, die Zulauffrachten überschritten die vorgesehenen Dimensionierungswerte», erklärt Schnyder. Hintergrund ist das seit 10 – 15 Jahren überdurchschnittliche Bevölkerungswachstum im Versorgungsgebiet. «Dabei hat insbesondere die biologische Reinigungsstufe ihre Kapazitätsgrenze erreicht, wie eine Untersuchung eines ausgewiesenen Experten, Prof. Dr. Markus Boller, schon 2017 unmissverständlich aufgezeigt hat», führt Schnyder weiter aus. Trotzdem – und das ist Schnyder wichtig zu betonen – konnte die Kläranlage dank dem versierten vierköpfigen Team, das die Anlage rund um die Uhr betreut, weiterhin eine sehr gute Reinigungsleistung erzielen. Doch zuerst ein Blick zurück in die Vergangenheit.

Abwasserreinigung über die Kantonsgrenzen hinaus

Erste Kontakte für den Bau einer gemeinsamen Kläranlage gab es zwischen den Gründergemeinden Aarburg, Oftringen und Rothrist bereits 1954. Konkreter wurden diese Gespräche aber erst ab März 1965, als das beauftragte Ingenieurbüro den technischen Bericht für das Vorprojekt samt Voranschlag am heutigen Standort vorlegen konnte. Da der Landerwerb längere Zeit nicht geregelt werden konnte, verstrichen bis zum Baubeginn im Frühjahr 1968 weitere drei Jahre. Am 15. März 1972 war es dann soweit: Die Kläranlage konnte ihren Betrieb aufnehmen. Bereits zwei Jahre nach Betriebsaufnahme wurde Vordemwald im Verband aufgenommen, 1983 folgten die luzernischen Gemeinden Pfaffnau und Roggliswil, 2000 schliesslich das solothurnische Boningen. In Aarburg wird also Abwasser aus sieben Gemeinden und drei Kantonen gereinigt. «Die Zusammenarbeit funktioniert reibungslos», sagt Schnyder nicht ohne Stolz und fügt schmunzelnd an: «Abwasser macht ja auch nicht an den Kantonsgrenzen Halt, sondern folgt immer noch der Schwerkraft».

Es sind in der Tat gewaltige Abwassermengen, welche der Aarburger Kläranlage zugeführt werden: Über 500´000 Liter fliessen pro Stunde zu. 12 Mio. Liter Wasser sind das im Tag. Jahrein, jahraus – ohne Unterbruch. Tagsüber etwas mehr, die Nacht hindurch etwas weniger. Müsste diese Abwassermenge per Tanklastwagen zugeführt werden, entspräche das auf Basis eines fünfachsigen 40-Tonnen-Tanklastwagens mit einem Volumen von maximal 30´000 Litern rund 400 Lastwagenfahrten täglich. Nun, Verkehr hat es bei der Autobahnein- und -ausfahrt Rothrist auch so schon genug. Und unnötige Lastwagenfahrten waren es auch, welche Erich Schnyder als erste «Amtshandlung» in seiner über 30-jährigen Tätigkeit als Geschäftsleiter beim Abwasserverband stoppte.

Organisationsberatung statt Architektur

Als Schnyder 1992 die Geschäftsführung des Abwasserverbands übernahm, setzte er als erstes Projekt den Bau einer Schlammleitung zur Erzo um. Der Klärschlamm war damals mit drei Lastenzügen täglich nach Oftringen geliefert worden, wo er thermisch entsorgt wurde. «Die Leitung war nach weniger als zehn Jahren amortisiert», erinnert sich Schnyder. Dass er überhaupt aufs Abwasser kam, war mehr zufällig als geplant. Denn ursprünglich wollte Schnyder nach der Matura Architektur studieren, das Studium mit Stellvertretungen an Schulen finanzieren. «In einer Zeit grossen Lehrermangels kamen dann Anfragen über Anfragen auf mich zu», erinnert sich Schnyder, der unter anderem an der Realschule Oftringen und später an der Berufsschule Zofingen unterrichtete. Die Lehramts-Ausbildung holte er nach, weil «mich der Beruf und der Umgang mit den Jugendlichen faszinierte». Parallel dazu wurde er in den ersten Oftringer Einwohnerrat gewählt, wo er als jüngstes Mitglied gleich das Präsidium der Geschäftsprüfungskommission übernahm. «Dort habe ich viele Einblicke in die Verwaltung erhalten und den Umgang mit Andersdenkenden erlernen können», betont er. Nach dem Umzug nach Aarburg wurde er 1981 in den Grossen Rat und etwas später in den Gemeinderat des Aarestädtchens gewählt. Wenige Jahre nach seiner Wahl zum Grossratspräsidenten im Jahr 1994 beendete Schnyder seine politische Karriere. «Durch meine politischen Tätigkeiten habe ich ein unglaublich grosses Beziehungsnetz gewonnen», sagt er im Rückblick. Beruflich reduzierte Schnyder seine Unterrichtstätigkeit an der Berufsschule fortlaufend und machte sich Mitte der 1990-er-Jahre als Organisationsberater für Non-Profit-Organisationen selbständig. Einen Namen machte er sich dabei insbesondere für die Reorganisation von Alters- und Pflegeheimen sowie Abwasserverbänden.

Damit wieder zurück zum Abwasser. Als Vertreter des Aarburger Gemeinderats wurde Schnyder von Amtes wegen Vorstandsmitglied beim Abwasserverband Aarburg. Er hörte ein Jahr lang zu und kritisierte dann die nach dem Abgang des damaligen Betriebsleiters Emil Bachmann fehlende Führung und Planung ziemlich harsch. Mit der Folge, dass eine Betriebskommission eingesetzt wurde, deren Vorsitz Schnyder übernahm. 1992 übernahm er die Geschäftsführung im Mandatsverhältnis und trat gleichzeitig aus dem Vorstand aus, «weil ich mich ja nicht selber kontrollieren konnte». Er führte eine Vollkostenrechnung und eine Anlagenbuchhaltung ein und erstellte eine saubere Planung für die sukzessive Erneuerung der Abwasserreinigungsanlage. Zwischen 1991 und 2020 wurden fast 40 Mio. Franken in den Werterhalt der Anlage gesteckt. «Die Anlage in Aarburg ist sowohl kostenmässig als auch technisch eine Vorzeigeanlage – das haben schweizweit durchgeführte Benchmarks stets unter Beweis gestellt», betont Schnyder. 

Faszinierende Einblicke in die Abwasserreinigung

Nach dem Abschluss der Arbeiten, mit denen die Kapazitäten der über 50 Jahre alten Anlage erstmals erweitert wurden, stehen die Türen am Tag der offenen Kläranlage vom 21. September zwischen 11 und 15 Uhr für die Bevölkerung offen. Besucherinnen und Besucher erhalten auf individuellen oder geführten Rundgängen faszinierende Einblicke in die hochkomplexe Welt der Abwasserreinigung. Anschliessend gibt es für alle gratis Wurst und Getränk.

Für Erich Schnyder wird das der letzte Tag der offenen Tür sein. Per Ende Jahr wird der 74-Jährige die Geschäftsführung des Abwasserverbands nach 34 Jahren seinem Nachfolger Roger Wymann übergeben. «Die Abwasserreinigung war ein schöner Teil meines Lebens», sagt er dazu. Er habe seinen Job mit Freude und grosser Motivation gemacht. «Ich gehe mit der Zuversicht, dass ich mein ‹Kind› in gute Hände übergeben darf». 

Eine vierköpfige Crew sorgt in Aarburg rund um die Uhr für sauberes Wasser (v.l.): Marcel Banz, Daniel Joss (Betriebsleiter), Marco Blumenthal (Betriebsleiter-Stellvertreter) und Urs Emmenegger.
Bild: zvg
Die Abwasserreinigungsanlage in Aarburg gilt in Fachkreisen als Vorzeigeanlage.
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