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Auf der Fennern-Bühne fliegen die Giftpfeile hin und her

Zum dritten und vielleicht letzten Mal wird auf der Fennern-Bühne Theater gespielt. «Plunder und Gwunder» heisst die Komödie, bei der drei völlig unterschiedliche Schwestern die Wohnung ihrer verstorbenen Mutter räumen müssen. Ein Familienzwist ist vorprogrammiert – das Publikum darf trotzdem herzhaft darüber lachen. Regie führt wiederum Nicolas Russi.

Brittnau 19. Oktober – 3. November: Bei «Plunder und Gwunder» gibt es viel zu lachen

Ein Reiheneinfamilienhaus in Brittnau – die Hausnummer 27 hängt völlig schief. «Hier muss ein schräger Vogel wohnen», begrüsse ich Nicolas Russi. «Oder der Haussegen hängt völlig schief», kommt es ebenso spontan wie schlagfertig zurück. Humor und ein schief hängender Haussegen – das sind tatsächlich Zutaten, mit denen sich Edith und Nic Russi aktuell herumschlagen. Ausschliesslich auf der Theaterbühne, wohlverstanden. Denn die beiden sind momentan im Endspurt für ihr drittes, gemeinsames Theaterprojekt auf der Fennern-Bühne.  «Plunder und Gwunder» heisst die Komödie, welche vom 19. Oktober bis zum 3. November zehn Mal auf der kleinen Bühne des momentan geschlossenen Restaurants gespielt wird. Es ist nach «Föif Stärne – stärneföifi!» und «Halb obe» die dritte Eigenproduktion von Nic Russi, der auch wieder selber Regie führt. Eine Geschichte, die sich ums Erinnern, Aufbewahren und Entsorgen dreht. 

Marianne, Priska und Isabelle Bodmer. Drei Schwestern, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Marianne, die Nonne, Priska, die ehemalige Lehrerin und Isabelle, die Bardame. Wenig erstaunlich, dass sie sich im Leben aus dem Weg gehen, wo sie nur können. Auch der Kontakt zu ihrer verwitweten Mutter beschränkt sich auf wenige Pflichttermine. Dann verstirbt die Mutter im 96. Lebensjahr – und die drei Schwestern müssen sich wohl oder übel zum Räumen der Wohnung einfinden und zusammenraufen. Eine explosive Mischung. Nicht nur unter den drei Schwestern fliegen die Giftpfeile hin und her, auch Priskas Ehemann Hans-Jakob, ein «Banker», erhält mehr als einmal sein Fett ab. Dass sich auch noch die Nachbarschaft einmischt, macht die Situation nicht gerade einfacher. Im Gegenteil: Diese trägt wesentlich zur Eskalation der Geschehnisse bei. Irrwitzige Streitigkeiten um einen Vogelkäfig oder eine Spaghetti-Büchse brechen aus. Und als auch noch ein unbekannter Bewohner vor dem Haus der Verstorbenen auftaucht, nimmt die Komödie zusätzlich Fahrt auf. Im Verlauf des Stücks erhält praktisch jeder Mitspielende einen Spiegel vorgehalten. Eines lässt sich jedenfalls vorwegnehmen: Könnte die Verstorbene dem Familienzwist zuschauen, sie würde sich kugeln vor Lachen …

Schwesterherz? Priska, die ehemalige Lehrerin und Marianne, die Nonne, ticken nicht auf der gleichen Wellenlänge.
Bild: Thomas Fürst

«Herzhaft lachen – das sollen auch die Zuschauer», findet Nic Russi, auch wenn dem Stück etwas Tragisches anhafte. «Denn da verschwindet ein ganzes Leben in einer Mulde», zitiert der Regisseur einen Satz aus dem Stück. Und letztlich gehe es ja auch ums Materielle, ergänzt Edith Russi. «Jede der drei Töchter hofft doch, etwas Wertvolles in der Hinterlassenschaft zu finden», sagt sie, die auf der Bühne mit Priska eine der drei Töchter verkörpert. «Trotzdem ist das Stück nicht pietätlos», ist es den beiden wichtig zu betonen. «Denn die verstorbene Mutter kommt immer in bestem Licht zur Sprache», betont Nic Russi. 

Ein herausforderndes Stück

«Wir haben noch viel zu tun», hält der 64-jährige Regisseur bei einem ersten Besuch Mitte September fest. Das hängt auch stark mit der Thematik des Stücks zusammen. «Eine Wohnungsräumung verläuft chaotisch», findet Edith Russi, auf der Bühne müsse die Räumung aber extrem geordnet und immer gleich ablaufen. «Wo bin ich, was nehme ich in die Finger?» – das seien Fragen, die sie sich als Schauspielerin in jedem Stück stellen müsse, erklärt Edith Russi, die Vielzahl der Requisiten in «Plunder und Gwunder» mache das Auftreten nochmals um einen Tick herausfordernder. 

Auch für eine erfahrene Schauspielerin, wie es Edith Russi ist. Fast dreissig Jahre ist es her, seit die Pharma-Assistentin erstmals auf einer Bühne stand. 1996 spielte sie in der kleinen Niederdorf-Oper in Reiden das «Ruthli». «Das Theatervirus hat Nic in mir geweckt», führt sie aus. Von da an wurde das Theaterspiel ein fester Bestandteil im Leben von Edith Russi. Später kamen bei den beiden auch Abendunterhaltungen und Moderationen dazu. «Edith machte Parodien als (ehemalige) Frau Bundesrätin Leuthard, ich war als ihr Bodyguard dabei», führt Nic Russi aus. Beim Schauspielern allein ist es allerdings nicht geblieben. Die Brittnauerin kümmert sich wie schon beim Waldtheater um die Kostüme und liess spezielle Stücke bei Schneiderin Esther Stuber (Vordemwald) anfertigen. Zudem ist sie um die Maske der Schauspielenden besorgt.

Das vielleicht letzte Fennern-Theater?

Ein gemeinsames Projekt, das war und ist auch das Fennern-Theater. Entstanden in der Corona-Zeit, als sich Nic Russi mit einem Stück zum Thema Homeoffice an einem Wettbewerb des Zentralverbands Schweizer Volkstheater (ZSV) beteiligte. «Ich habe zwar keinen Preis gewonnen», sagt Nic Russi, aber gehört, dass es sich lohnen würde, das Stück weiterzuverfolgen. Zur gleichen Zeit stand der Männerchor Mättenwil, der jeweils im Rahmen seiner Jahreskonzerte auch ein Theater auf der Fennern-Bühne aufführte, vor der Auflösung. «Da ist bei uns die Idee aufgekommen, dieses Theaterstück in der Fennern aufzuführen», führen Edith und Nic Russi aus. Auch als Unterstützung für den Wirt, der die Fennern unmittelbar vor Ausbruch der Pandemie übernommen hatte. «Mit Alain Lardon hat sich sofort eine gute und unkomplizierte Zusammenarbeit ergeben», schwärmen die beiden Brittnauer. Eine Zusammenarbeit, die in dieser Form letztmals stattfinden wird. Denn in der Zwischenzeit hat Alain Lardon ein Restaurant in Boningen übernommen, wird aber an den zehn Theater-Abenden nochmals fürs leibliche Wohl sorgen. Ein neuer Pächter für die Fennern wird gesucht. «Ob und wie es in der Fennern weitergeht, das wissen wir schlicht und einfach nicht», sagt Nic Russi. Deshalb könnte es gut sein, dass zum letzten Mal auf der Fennern-Bühne Theater gespielt wird. Einer Bühne, die Edith und Nic Russi trotz oder gerade wegen der mehr als beengenden Platzverhältnisse als «heimelig und sympathisch» empfinden. 

Auf jeden Fall weitergehen wird es demgegenüber mit der Theaterarbeit von Edith und Nic Russi. «Ideen sind da, ich entscheide aber von Jahr zu Jahr», betont Nic Russi. Gegenwärtig laufen die Proben für die Januar-Spielsaison 2025 der Theatergesellschaft Oberentfelden, wozu er das Stück «de dopplet Walther» geschrieben hat und Regie führt. Und für das kommende Jahr ist ein Freilichttheater im Zofinger Rosengarten in Vorbereitung. Auf seiner Wunschliste hätte der Brittnauer Regisseur, nochmals ein Chaos-Theater zu inszenieren. «Ein Stück, bei dem niemand etwas kann und bei dem auch noch das Bühnenbild zusammenstürzt», erklärt er. So wie er das 2022 schon einmal mit dem Stück «Rosalie» für die Langenthaler Guggenmusik «Akkordwürger» tun durfte. 

Vorstellungen sind bereits gut gebucht

Doch das ist momentan aber noch Zukunftsmusik. Zuerst stehen die zehn Aufführungen von «Plunder und Gwunder» auf dem Programm. Tickets à 20 Franken können über eventfrog.ch gebucht werden – ebenso wie das dreigängige Theatermenu zu 28 Franken und den Shuttlebus ab Zofingen Bahnhof, Brittnau Post, Strengelbach Kreuzplatz oder Vordemwald Post zur Fennern und zurück, der für 5 Franken erhältlich ist. Wer beim vielleicht letzten Fennern-Theater dabei sein möchte, sollte mit dem Buchen nicht allzu lange zuwarten. Sämtliche Vorstellungen sind bereits sehr gut gebucht.

Eine besondere Bedeutung im Stück kommt dem Vogelkäfig zu. Nachbarin Monika Spalinger möchte ihn mitnehmen.
Bild: Thomas Fürst