Aarburg hat gewählt: FDP verliert ihren zweiten Sitz im Gemeinderat
Christian Schwizgebel muss das Interview mit dem ZT kurz unterbrechen. Er nimmt einen Speckzopf aus dem Backofen und schiebt einen neuen rein. Die Gäste draussen im Garten wollen schliesslich bewirtet sein. Sie alle sind an diesem Sonntagvormittag gekommen, um zu gratulieren. Verköstigt werden sie mit Raclette, Speckzopf und Getränken. «Ich merke erst jetzt, dass ich doch etwas nervös war heute Morgen», sagt Schwizgebel. Der 61-Jährige komplettiert ab dem neuen Jahr den Aarburger Gemeinderat, der ab 2023 ganz offiziell Stadtrat heissen wird. Der Parteilose, der sich im Wahlkampf gerne als überparteilich bezeichnete, ging am Sonntag als Top-Favorit in das Rennen um den freien Sitz. Und er marschierte durch, verwies den FDP-Kandidaten Patrick Müller auf den zweiten Platz.
3992 Stimmberechtigte hat Aarburg aktuell, eingegangen sind 1027 Stimmrechtsausweise, wobei aber 26 ungültig waren. 1000 Wahlzettel mussten dann ausgezählt werden, davon waren 5 leer und einer ungültig. Die Stimmbeteiligung lag bei 25,1 Prozent.
SVP-Kandidat will jetzt genau hinschauen
Schwizgebel konnte 389 Stimmen auf sich vereinen und Patrick Müller 273. Einen Platz gut machen konnte die einzige Frau im Bunde, Michèle Wehrli (parteilos, portiert von Die Mitte). Sie überholte mit ihren 180 Stimmen den SVP-Kandidaten Patrick Kilchenmann, der mit 152 Stimmen auf dem vierten Platz landete. Die Welt gehe deshalb nicht unter, meint er. «Ich werde aber genau hinschauen, ob sich der neugewählte Gemeinderat tatsächlich für ein naturbejahendes Aarburg einsetzt, so, wie er es versprochen hat.»
Leise Enttäuschung schwingt beim zweitplatzierten Patrick Müller mit. Er gibt aber zu: «Die Hoffnung war nicht sehr gross, dass ich Christian Schwizgebel noch überholen kann.» Seine Kurzanalyse lautet: «Mir ist es nicht gelungen, die SP-Stimmen zu holen, obwohl mich die SP offiziell unterstützt hat.» Müller macht klar, dass er an seinem Ziel, Gemeinderat zu werden, festhält. Sei es bei einer allfälligen Ersatzwahl oder dann bei den Gesamterneuerungswahlen. Für die FDP sei es jetzt darum wichtig gewesen, dass sich ein jüngerer Kandidat dem Wahlvolk präsentieren konnte.
Unklar ist, ob sich Michèle Wehrli dereinst wieder zur Wahl stellen wird. Darüber habe sie sich noch keine Gedanken gemacht. «Ich wünsche mir, dass in Zukunft jüngere nachfolgen.» Darüber enttäuscht, dass es ihr nicht gereicht hat, sei sie nicht. «Aarburg war wohl noch nicht bereit für eine zweite Frau im Gemeinderat.» Sie sei glücklich darüber, dass der Wahlkampf ohne «das Waschen von dreckiger Wäsche» über die Bühne ging. «Ich habe viele neue Leute kennengelernt, das war eine coole Erfahrung», bilanziert sie.
Schwizgebel: «Die Wahl wird mein Aarbiger-Sein sicher verändern»
Glücklich, dass es endlich mit dem Gemeinderatssitz geklappt hat, ist Christian Schwizgebel. Vor einem Jahr schied er bei den Gesamterneuerungswahlen als Überzähliger aus, dieses Mal musste er den Umweg über den zweiten Wahlgang machen. «Ich empfinde viel Respekt gegenüber den anderen Kandidierenden und bin demütig und gespannt, was nun auf mich zukommt», sagt er. Gespannt vor allem, wie viel er wirklich bewegen könne. «Die Wahl wird mein Aarbiger-Sein sicher verändern. Ich bleibe aber dennoch der Chregu vo Aarbig.» Er freue sich darauf, mitbestimmen zu können und für die ganze Aarburger Bevölkerung etwas tun zu können, herkunfts- und kulturübergreifend.
Schwizgebel wird dieses Jahr noch am Weihnachtsessen der Exekutive teilnehmen, «um sich kennenzulernen und erste Gedanken auszutauschen», sagt Gemeindeammann Hans-Ulrich Schär. Die Ressortverteilung werde ebenfalls im neuen Jahr erfolgen.
14 Wahlcouverts wurden doppelt zugestellt
In den Aarburger Quartieren Kleinfeld und Kloosmatt, später auch an der Kirchgasse, wurden die Wahlcouverts im Vorfeld der Wahl einzelnen Stimmberechtigten doppelt zugestellt (das ZT berichtete). Wie Gemeindeschreiber und Wahlleiter Urs Wicki am Wahlsonntag mitteilt, wurden bei der Gemeinde letztendlich 14 doppelt zugestellte Wahlcouverts gemeldet. «Die Überprüfung des Sachverhalts zusammen mit der Stimmregisterführerin aus dem Bereich Einwohnerdienste wie auch mit dem Informatikdienstleister der Gemeinde und vor allem mit der Firma, welche die Software für das Einwohnerregister stellt, hat zu keinen Resultaten geführt», heisst es. «Es ist und bleibt unklar, warum das Programm für einige wenige Personen, anscheinend alle an einer Adresse beginnend mit dem Buchstaben «K» wohnhaft, den Stimmrechtsausweis doppelt ausgedruckt hatte.»
Der Druckvorgang für die Stimmrechtsausweise sei, so Wicki, wie auch sonst immer erfolgt und ohne Unterbruch und ohne irgendwelche Probleme durchgeführt worden. «Es war keine Unregelmässigkeit zu verzeichnen. Weder ein kurzzeitiger Stromausfall noch eine sonstige Abschaltung des Druckers, auch kein temporärere Druckabbruch und auch keine sonstigen Auffälligkeiten waren zu verzeichnen», heisst es in der Mitteilung.
Garantiert keine doppelten Stimmen eingegangen
Sämtliche eingegangenen Stimmrechtsausweise wurden bei dieser Urnenwahl von Anbeginn an auf der Liste der Stimmberechtigten abgehakt. «So wäre sofort feststellbar gewesen, wenn eine Person zweimal gestimmt hätte», betont Wicki. Die zweite Stimme wäre als ungültig beiseite gelegt worden. Der Druckprozess werde beim nächsten Urnengang durch die Zuständigen mit Argusaugen verfolgt werden.
Ein Wermutstropfen seien, so Wicki, die 26 ungültig eingegangenen Stimmen. «Entweder wurde nicht das offizielle Couvert für die Rücksendung verwendet oder der Wahlzettel lag nicht im dafür vorgesehenen gelochten Stimmzettelkuvert.» 20 der insgesamt 26 ungültigen Stimmen seien ungültig, weil der Stimmrechtsausweis nicht unterzeichnet war. (zto)