Das Duo Crossline und sein grosses Finale
Vordemwald 6. April: Im Gemeindesaal findet die Abschiedsparty vom Duo Crossline statt
Worte braucht es keine, ein kurzer Blick genügt – und schon legen sie los. Der Sound von René Wechslers Keyboard und Thomas Gerhards Gitarre füllt den Übungsraum. «Come on / Oh baby don’t you wanna go» – setzt schon bald der Gesang der beiden ein. Unverkennbar «Sweet home Chicago», der legendäre Bluessong aus den 1930-er-Jahren. Gefühlte hundert Mal kopiert. Von Eric Clapton, Fleetwood Mac, Status Quo oder den Blues Brothers. Und vielen anderen Bands. Auch vom Duo Crossline. Oft wird das Duo aus Vordemwald und Brittnau den Song nicht mehr zum besten geben. Um genau zu sein: Noch einmal. Denn nach der Abschiedsparty, die im Gemeindesaal Vordemwald am kommenden Samstag, 6. April, über die Bühne gehen wird, hängen die beiden ihre Instrumente an den berühmten Nagel, wie man in der Schwingersprache sagen würde.
Mit Musik aufgewachsen
«Ich komme aus einer Familie, in der Musik einfach stattgefunden hat», erzählt der 62-jährige Thomas Gerhard, der einst in der Zofinger Färberei den Beruf eines Textilveredlers erlernt hat und später über viele Umwege im Verkauf von Textilmaschinen tätig war. «Mir war schon früh klar, dass ich Gitarre spielen wollte», sagt er. Dazu musste Thomas Gerhard aber einen Kompromiss mit seinem Vater, welcher über Jahrzehnte Handharmonika-Vereine geleitet hatte, eingehen. Ein Jahr Handharmonika spielen, dann würde er seine Wunsch-Gitarre bekommen. Die Gitarre ist dann das Instrument des Brittnauers geblieben – bis heute. Sehr früh war Gerhard in der Folge auch in Bands aktiv. Zuerst hat er im Robi Geisseler Sextett mitgespielt, dann bei Alpenklang. Oberkrainer-Musik, das sei damals ein richtiggehender Hype gewesen. «Das war nicht wirklich meine Musik, aber man konnte auch dort etwas lernen», wie er zugibt.
Auch bei René Wechsler, der in Oftringen aufgewachsen ist, war die Musik in der Familie stets präsent. Auf den Spuren seines Vaters, der schon Handharmonika spielte, erlernte auch er im jungen Alter das Handharmonikaspielen. Damals spielte er während 15 Jahren im Akkordeon-Orchester Oftringen. Später kamen beim gelernten Maurer, der sich über zahlreiche Weiterbildungen zum Polier und Bauführer hocharbeitete, weitere Instrumente dazu: Bassgitarre und Gitarre. Seit seinem 17. Altersjahr spielte der heute 68-jährige Wechsler stets in Bands mit. Zuerst drei Jahre bei den Murgenthaler «Gamblers», dann folgten sieben Jahre als Duo «Fred und René».
Von den Jokers zum Duo Crossline
1982 schlug dann die Geburtsstunde der «Jokers». Eine zuerst dreiköpfige Tanzmusikformation, die sukzessive auf sechs Mann erweitert wurde. Eine Formation auch, die regional grosse Bekanntheit erlangte. 1992 trat – auf Anfrage von René Wechsler – auch Thomas Gerhard zusammen mit seinem Bruder Stephan der Band bei, die nach 22 Jahren aufgelöst wurde. «Weil die meisten Bandmitglieder mehr Familienzeit haben wollten», erklärt René Wechsler. Doch aufhören, das kam für René Wechsler damals nicht in Frage. Er fragte Thomas Gerhard an, im Duo machten die beiden weiter Musik. Er könne sich noch genau ans erste Engagement erinnern, im Blauen Fasan in Bachenbülach. «Wir haben kurz vor dem Auftritt noch zwei identische Hemden gekauft und einen Namen hatten wir auch noch nicht», erinnert sich Thomas Gerhard. Während dem Auftritt kam jemand auf uns zu und sagte: «Ihr macht so ‹geile› Musik – wie heisst ihr denn eigentlich?» «Ich habe zu René hinübergeblickt, sah die gekreuzten Streifen auf seinem Hemd und sagte kurzentschlossen Crossline», erzählt der Gitarrist und schmunzelt. «So sind wir zu unserem Namen gekommen».
Viele Leute haben uns jahrelang begleitet
So spontan wie das Duo Crossline zu seinen Namen kam, so beständig kam das Duo zu seinen Auftritten. «Es gab und gibt enorm viele Leute, die wir regelmässig unterhalten durften», betonen die beiden Musiker. Viele an ihren Hochzeitsfesten, später vielleicht an runden Geburtstagen und an ganz, ganz vielen öffentlichen Auftritten. «Nur bei Scheidungen haben wir noch nie aufgespielt», sagt Thomas Gerhard und lacht. «Das grosse ‹Stammpublikum› war wohl ein Teil unseres Erfolgsrezepts», vermutet René Wechsler, während der andere Teil das grosse Repertoire gewesen sei.
Ein Repertoire, das «vo sidefin bis rockig» reicht, wie es die Musiker auf ihrer Homepage selber umschreiben. Ob Oldies, Evergreens, Schlager, Pop, Rock, Blues oder Mundartsongs – das Duo Crossline war in allen Genres zu Hause. «Uns war immer wichtig, auf das Publikum einzugehen», erklärt Thomas Gerhard. «Und wenn Du so lange zusammen unterwegs bist, dann weisst du auch, was das Publikum will».
Aufzuhören war seit zwei Jahren ein Thema
Zusammen je rund ein halbes Jahrhundert auf der Bühne, davon 30 Jahre gemeinsam in zwei Formationen musiziert. Machen sich da nicht Ermüdungserscheinungen bemerkbar? «Nein, überhaupt nicht», sagen die beiden wie aus der Kanone geschossen. Im Gegenteil: «Es ist nie ein böses Wort zwischen uns gefallen», führt Thomas Gerhard aus, es sei eine wunderbare Zeit gewesen. Und doch: Aufzuhören, das war seit 2022 ein Thema, weil René Wechsler den Wunsch geäussert hatte, vermehrt mit seinem Wohnmobil zu reisen. «Da kannst Du nicht ständig Termine haben», zeigt sich Thomas Gerhard verständnisvoll. Sie würden die gemeinsamen Auftritte sicher vermissen. «Aber im Rückblick dürfen wir sicher sagen: Es war eine gute Zeit, in der wir unserem Hobby und unserer Leidenschaft nachgehen durften», betonen die beiden.
Die letzte Party steigt in Vordemwald
Eigentlich sollte der letzte Crossline-Auftritt an der Brittnauer Fasnacht stattfinden. Am Maskenball, der dann bekanntlich vom Programm gestrichen wurde. «Dann mache ich einen Maskenball in Vordemwald», sagte sich Ernst Zimmerli, der zusammen mit seiner Frau Priska zu den treuen Crossline-Fans gehört. Ein Plan, der sich zerschlug, weil der Gemeindesaal in Vordemwald schon besetzt war. Doch einfach aufgeben, das kam für Priska und Ernst Zimmerli nicht in Frage. Sie fragten bei den Präsidenten des Gewerbevereins, Andi Blaas, und des Feuerwehrvereins, André Wullschleger, um Mithilfe an. Ein vierköpfiges OK war sofort gebildet, nach zwei OK-Sitzungen war auch die Abschiedsparty vom 6. April organisiert. Um 19 Uhr ist Türöffnung, um 20 Uhr startet die Party, Tickets gibt es ausschliesslich an der Abendkasse. Dazu einen Foodstand sowie eine Bar. «Wir wünschen uns zum Abschied von unserer ‹Huusmusig› eine volle Hütte und gute Stimmung», meinen Priska und Ernst Zimmerli. Wobei die ja bei jedem Crossline-Auftritt sowieso garantiert ist…
Ja, und dann wird es einmal so weit sein. Das letzte Lied wird angestimmt. Welches wird es denn sein? «Das letzte Lied»? Thomas Gerhard und René Wechsler schauen sich einen Moment lang an. «Darüber haben wir noch gar nicht gesprochen», meint René Wechsler. «Wir werden zusammen mit dem Publikum den richtigen Abschiedssong finden», ist sich Thomas Gerhard sicher. «Und wenn er von den ‹Toten Hosen› sein sollte», sagt er und beide «Crossliner» lachen. Es ist ein entspanntes Lachen. Von zweien, die mit sich spürbar im Reinen sind.