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Der Altstadtprozess als Schein-Partizipation?

Diverse Stimmen kritisieren den Zofinger Altstadtprozess als nicht ergebnisoffen und ideologiegetrieben. Stadtpräsidentin Christiane Guyer widerspricht und stellt eine weitere Mitwirkung in Aussicht. 

Zofingen Kritische Stimmen aus dem Gewerbe

Vorletzten Freitag hat der Stadtrat über ein Projekt informiert, das den etwas sperrigen Namen Altstadtprozess trägt. In dessen Zentrum steht die Frage, wie die Zofinger Altstadt noch attraktiver und lebenswerter wird.

Zur Erinnerung: Gestartet wurde das Ganze im Dezember mit einer Bevölkerungsumfrage; 1040 Personen – eine überraschend hohe Zahl – beteiligten sich daran. Zudem gab es je einen Spaziergang für Senioren sowie einen für Kinder und Jugendliche; auch zwei Anlässe für Gastronomen und Gwerbler sowie für Liegenschaftsbesitzer gehörten zum Prozess.

Darauf folgte im April und Mai der wichtigste Teil: zwei Workshops. Dazu eingeladen waren rund 40 Vertreterinnen und Vertreter aus der Gastronomie, dem Gewerbe, der Einwohnerschaft, aus Vereinen, Einwohnerrat, Kommissionen, Stadtrat und Verwaltung.

Dabei federführend war ein externes Projektteam des Berner Beratungsunternehmens Ecoptima. Dieses bündelte die Ergebnisse der ersten Phase und arbeitete Vorschläge für Massnahmen aus.

Der erste Workshop sei von «kontroversen Diskussionen um den Themenbereich Mobilität geprägt» gewesen, teilte der Stadtrat vorletzte Woche mit. «Insbesondere bezüglich Parkierung wurden gegensätzliche Interessen deutlich.» Beim zweiten Workshop habe sich ein «grosses Übereinkommen bei den vier diskutierten Themenfeldern Freiraum, Publikumsnutzungen, Wohnen und Mobilität» ergeben.

Das Zielbild, das sich an den Workshops herauskristallisiert habe, werde dem Stadtrat nun vorgelegt. Auf dieser Grundlage wolle er das Zukunftsbild der Altstadt definieren – und dann «über das weitere Vorgehen zur Konkretisierung der Massnahmen entscheiden».

«Das waren absolute Fehlinterpretationen»

Dieser letzte Satz löst bei nicht wenigen Betroffenen, die in der Altstadt wohnen oder dort ein Geschäft betreiben, Besorgnis aus. Schon bevor der Stadtrat am vorletzten Freitag über den Altstadtprozesses informierte, wurden kritische Stimmen laut.

Eine davon gehört Jan Bachmann, der mit seinem Team an der Vorderen Hauptgasse 79 eine Papeterie und ausserhalb der Altstadt einen zusätzlichen Verkaufs-, Büro- und Lagerstandort betreibt.

Bachmann war beim ersten Workshop noch dabei, für den zweiten meldete er sich – unter Protest – ab. «Der ausschlaggebende Grund war, dass seitens der Behörden nicht offen kommuniziert wird», begründet er seinen Rückzug. Der Prozess mache den Anschein, dass ein «runder Tisch» initiiert werde, um später bestimmte politische oder ideologischen Ideen umzusetzen. «Dies wird dann mit der Bemerkung geschehen: ‹Die Bevölkerung hat sich ja äussern können.»

Problematisch ist für Bachmann bereits der Ausgangspunkt des Prozesses, die Bevölkerungsumfrage. Nur 17 Prozent der Personen, die mitmachten, wohnen in der Altstadt. Zudem sei unklar, wie die Ergebnisse für die Workshops gewichtet worden seien. «Ich sehe kaum eine Legitimation, diese Angaben für einen Altstadtprozess zu verwenden», so Bachmann.

Aktennotizen oder Protokolle, welche das Erarbeitete sichtbar dokumentieren würden, habe es für die Teilnehmenden nicht gegeben, kritisiert Jan Bachmann weiter. Von der versprochenen Ergebnisoffenheit sei am ersten Workshop wenig zu spüren gewesen. Er macht ein Beispiel: «Der Sprecher der externen Firma hat Antworten der Umfrage, wie ich sie gewählt hatte, so interpretiert, dass ich eine Vergrösserung der Fussgängerzone wünsche, oder Bäume anstelle von Parkplätzen sehe.»

Das seien «absolute Fehlinterpretationen» gewesen. Er sei zwar für mehr Bäume oder mehr Begrünung, «aber auf unbefahrenen Plätzen und ohne Parkplatzabbau». Die Fussgängerzone in Zofingen sei im Verhältnis zu der Grösse der Altstadt sehr gross und bedürfe seiner Meinung nach keiner Ausweitung. Überdies sei die gesamte Fläche der Altstadt mit einer Begegnungszone belegt. 

«Es braucht so etwas wie eine Vernehmlassung»

Zu Wort gemeldet an einem der Workshops hat sich auch der ehemalige Stadtschreiber Arthur Senn, der seinen Schwiegersohn Danilo Senn vertrat. «Viele haben nun ein ungutes Gefühl», sagt er. «Es besteht die Befürchtung, dass konkrete Massnahmen in der Pipeline sind und nur noch pro forma ein Prozess aufgegleist wurde», sagt er. Auch das nun angeschlagene hohe Tempo – nachdem das Dossier jahrelang nicht angegangen wurde – sei fragwürdig. «Die Zofinger Altstadt ist nicht geeignet für Schnellschüsse und zu wenig überlegte, unausgewogene Massnahmen», sagt Senn.

Er hofft, dass der Stadtrat vor allfälligen Beschlüssen alle geplanten Massnahmen als Paket umfassend präsentiert, damit sich die Betroffenen und die Bevölkerung dazu äussern können. Es brauche noch einmal so etwas wie eine Vernehmlassung: «Damit könnte der Stadtrat verlorenen gegangenes Vertrauen wieder zurückgewinnen», so der ehemalige Stadtschreiber.

Stadtpräsidentin stellt weitere Mitwirkung in Aussicht

Im Gespräch mit dem ZT weist Stadtpräsidentin Christiane Guyer den Vorwurf zurück, beim Altstadtprozess habe es sich um eine Schein-Partizipation gehandelt. «Der Eindruck täuscht. Es bestehen keine vorgefertigten Meinungen zur Entwicklung der Altstadt. Der Prozess wurde von Beginn an ergebnisoffen und partizipativ ausgestaltet», sagt sie.

Die Gewerbetreibenden hätten sich sehr aktiv in den Prozess einbringen können. «Es zeigte sich, dass auch unter den Gewerbetreibenden unterschiedliche Meinungen und Vorstellungen zur Entwicklung der Altstadt bestehen.»  

Korrekt sei, dass kein Protokoll von den Workshops erstellt worden sei. Die erarbeiten Grundlagen seien jedoch jederzeit transparent dargelegt worden.

Der zweite Workshop habe gezeigt, dass bei den Leitgedanken ein «grundsätzlicher Konsens» vorhanden gewesen sei. Die Massnahmen seien aber auch nach dem zweiten Workshop noch nicht ausgereift. «Wir planen eine Fortsetzung und damit die Fortführung der Mitwirkung», sagt Guyer. Das Format sei jedoch noch offen.