Ein Bauernbub vom Rottannenhof
Zofingen Die beliebte Serie wird mit der 51. Folge fortgesetzt
«Auf dem abseits aber wunderschön und erhöht gelegenen Rottannenhof – eigentlich auf Hinterwiler Boden aber dem Mühlethal in allen Belangen zugewandt – war mein Kindheitsdasein überwiegend auf die Art des seinerzeitigen Milchwirtschafts-Bauern und weniger auf Kontakte unter Spielkameraden ausgerichtet. Ich war gerade daran, als scheuer Jungbauer heranzureifen, als uns das gepachtete Land – infolge Abverkauf durch dessen Besitzer – abhanden kam und so unvermeidlich den Wegzug in ein nichtbäuerliches Leben einläutete. Der Bauernberuf hatte es schon damals so an sich, dass er einem zufallen musste, denn aussuchen liess er sich nicht.
Weit verstreute Höfe
Die Höfe waren weiträumig verstreut und mobil war man nur bedingt. Ein Bottenwiler Postautokonzessionär betrieb mit seinen Saurer Haubenmotor-Postautos die Linie Zofingen-Bottenwil, begleitet mit Dreiklangmusik um die damals noch sehr engen Mühlethaler Kehren kurvend. Alles, was nicht aus der Selbstversorgerquelle stammte, konnte man sich entweder im Usego-Lädeli Bachmann am oberen Ende des Geiserweges besorgen oder man wartete zweimal wöchentlich beim Milchhüsli auf das Eintreffen des Migros-Wagens. Wenn sich mal wieder ein Paar neue Stiefel oder neue Kleider aufdrängten, nutzte man an Zofinger Markttagen die Mitfahrgelegenheit mit Bossards Postauto.
Besuch aus Zürich
In Erinnerung sind mir die sporadischen Besuche von Verwandten aus Zürich-Seebach geblieben. Meine Mutter backte nach einem Rezept aus ihrer Tiroler Heimat einen sehr feinen Eierkuchen. Das war es den Stadtmenschen wert, den beschwerlichen Weg, damals noch ohne Autobahn, zum Bauernhof auf der Rottanne auf sich zu nehmen. Da erfuhr man dann so manches, was man im Mühlethal nicht erleben konnte. Das Hobby des Hofbetreibers Alex Hügli war die Brieftaubenzucht. Am Morgen vor dem Eintreffen des Besuchs aus Zürich hielt er sie im Taubenschlag zurück. Jene nahmen dann die Taubenschar in einer Transportkiste mit nach Zürich und liessen sie umgehend frei, damit sie heimfliegen konnten. Voller Spannung wurde auf die vollzählige Ankunft der heimfliegenden Tauben gewartet.
Unvergessen ist auch, dass es damals noch ein Gemeinschaftskühlhaus gab, in welchem man Mietabteile unterschiedlicher Grössen nutzen konnte, um die tiefkühlbaren Selbstversorgungsprodukte aus Wingeiers Störmetzgete, den eigenen Obstbäumen und dem Pflanzplätz aufzubewahren. Eine elektrische Tiefkühltruhe zu Hause war damals noch keineswegs Standard. Immerhin hing im Gang schon ein schwarzes Wählscheibentelefon, aus dessen Hörer nicht selten undefinierbare Gespräche mitgehört werden konnten, weil irgendwo im Netz Feuchtigkeit zum sogenannten Nebensprechern führte.
Trauerzug zum Friedhof
Unvergessen auch die Art des Abschiednehmens, wenn jemand verstorben war. Der Leichnam wurde zu Hause aufgebahrt, was Verwandten, Freunden und Nachbarn Gelegenheit bot, während etwa zwei Tagen von den Angehörigen eingelassen zu werden, um der verstorbenen Person eine letzte Ehre zu erweisen. Am Tag der Beisetzung versammelte sich die ganze Trauergemeinde an der Stätte des aufgebahrten Leichnams. Dann fuhr das aufgebotene Pferdefuhrwerk vor, um den verladenen Sarg und die angehängten Kränze in einem stillen Trauerzug zum Friedhof zu begleiten.»