Gemeinsam anpacken gegen invasive Neophyten
Rothrist Samstag, 17. Juni, ab 9 Uhr: Neophyten-Aktionstag
«Es ist überhaupt nicht so, dass wir in Rothrist bisher nichts gegen die unerwünschten Neophyten gemacht haben», sagt Beat Rüegger, Co-Präsident des Naturschutzvereins. Seit rund zwanzig Jahren bekämpft das Bauamt invasive Neophyten im Bereich der Gewässer und an den Strassenrändern. In den Naturschutzgebieten werden die Neophyten regelmässig von Schülerinnen und Schülern der Schule Rothrist unter Anleitung von Mitgliedern des Naturschutzvereins bekämpft. Bei den regelmässigen Unterhaltarbeiten in den Schutzgebieten entfernen die Mitglieder des Naturschutzvereins die unerwünschten Pflanzen. Und die Gemeinde stellt auch den Landwirten zwei Abfallcontainer an zwei Standorten zur Verfügung, die regelmässig geleert werden. «Doch nun ist das Problem so breit geworden, dass das ein paar wenige Einzelkämpfer nicht mehr in den Griff bekommen», spricht Beat Rüegger Klartext. Konkret: Die Bevölkerung muss zur Mithilfe im Kampf gegen invasive Neophyten gewonnen werden, nur so könne deren rasante Ausbreitung eingedämmt werden.
Etwa 15 Prozent der invasiven Arten machen Probleme
Der Mensch reist, der Mensch handelt – rund um die ganze Welt. Durch die globalisierte Reise- und Handelstätigkeit werden nicht nur Güter, sondern auch lebende Pflanzen, Tiere, Pilze und Mikroorganismen in Gebiete gebracht, die sie ohne Hilfe des Menschen nicht erreichen könnten. Diese Arten werden als gebietsfremd bezeichnet. Aktuell sind in der Schweiz insgesamt 1305 etablierte gebietsfremde Arten bekannt, wie das Bundesamt für Umwelt (BAFU) in seinem Bericht «Gebietsfremde Arten in der Schweiz» von 2022 ausweist. Während sich der grösste Teil dieser Arten unauffällig in unser Ökosystem einfügt, werden 197 Arten oder 15 Prozent vom BAFU als invasiv bezeichnet. Die Liste der invasiven Arten umfasst 85 Tiere, 89 Pflanzen und 23 Pilze. Von diesen Arten ist bekannt, dass sie Mensch und Umwelt gefährden, die biologische Vielfalt einschränken, Schäden an der Infrastruktur verursachen oder zu Ertragseinbussen in der Land- oder Forstwirtschaft führen.
Kanton Aargau hat Neophytensäcke lanciert
Auch der Kanton Aargau hat den Ernst der Lage erkannt und im vergangenen Jahr die Koordinationsstelle Neobiota innerhalb des Landwirtschaftlichen Zentrums Liebegg geschaffen. Sie ist die zentrale Anlaufstelle für alle Fragen zu Neophyten und will eine koordinierte Zusammenarbeit mit den Gemeinden aufbauen. Sämtliche Gemeinden wurden anfangs Jahr aufgefordert, eine Neobiota-Ansprechperson zu benennen. In Rothrist ist dies Jérôme Barmet, Leiter Werkhof.
Mit dem Einbezug der lokalen Bevölkerung will der Kanton die Bekämpfung von invasiven Neophyten verstärken und hat deshalb einen Neophytensack geschaffen, damit das eingesammelte Material auch kostenlos entsorgt und der Kehrichtverbrennung zugeführt werden kann. Ein neu geschaffenes Merkblatt führt zehn der häufigsten und problematischsten invasiven Neophyten auf: Drüsiges Springkraut, Schmalblättriges Greiskraut, Essigbaum, Asiatische Staudenknöteriche, Nordamerikanische Goldruten, Sommerflieder, Kirschlorbeer, Einjähriges Berufkraut, Seidiger Hornstrauch und Asiatische Geissblätter.
Einjähriges Berufkraut verbreitet sich am schnellsten
Diese Problempflanzen breiten sich allesamt auch in Rothrist übermässig aus. «Insbesondere das Einjährige Berufkraut (Erigeron annuus) hat sich wahrscheinlich stärker als jeder andere Neophyt nicht nur in Rothrist, sondern im gesamten Mittelland verbreitet», weiss Beat Rüegger. Eigentlich eine hübsche, aber alles andere als harmlose Pflanze, deren Blüte am ehesten der Kamille oder dem Gänseblümchen gleicht. Dem Berufkraut scheinen einer weiteren Ausbreitung im Siedlungsraum, entlang von Verkehrsflächen und in ökologisch wertvollen Wiesen und Weiden bis auf weiteres keine Grenzen gesetzt zu sein. Das ist einerseits verheerend für Landwirte, weil der Futterwert des Schnittguts oder der Weide abnimmt und anderseits für die Biodiversität, weil das Einjährige Berufkraut ohne weiteres seltene einheimische Pflanzenarten wie etwa die Glockenblumen verdrängen kann und damit auch indirekt seltene oder gar gefährdete Tierarten wie zum Beispiel Wildbienen in ihrem Bestand weiter einschränkt.
Ebenfalls sehr problematisch ist die Ausbreitung der Nordamerikanischen Goldruten, welche sich durch Ausläufer und Samen äusserst effizient vermehren. Durch ihr rasches Wachstum und die dichten Bestände können sie insbesondere die spät im Jahr gemähten Magerwiesen mit der Zeit vollständig überwuchern.
In Zukunft können auch Hausbesitzer vom Bauamt aufgefordert werden, Neophyten wie das Einjährige Berufkraut oder Nordamerikanische Goldruten aus ihren Gärten zu entfernen und im mitgelieferten Neophytensack zu entsorgen. Gleichzeitig wäre es in Privatgärten auch sinnvoll, weitere häufig vorkommende Neophyten wie Sommerflieder und Kirschlorbeer durch einheimische Pflanzen zu ersetzen, die Schmetterlinge und Vögel fördern sowie Honig- und Wildblumen anlocken. Die kantonale Koordinationsstelle Neobiota empfiehlt, Sommerflieder durch Holunder und Kirschlorbeer durch Stechpalme oder auch Liguster zu ersetzen.
«z´Rothrist packe mer´s zäme aa»
In Rothrist geben die drei bisher schon engagierten Akteure Gemeinde, Forstbetrieb und Naturschutzverein mit dem Neophyten-Aktionstag vom kommenden Samstag gemeinsam den Startschuss für eine noch nachhaltigere Bekämpfung der unerwünschten Pflanzen. Unter Einbezug und Mithilfe der gesamten Bevölkerung – das Motto lautet denn auch «z´Rothrist packe mer´s zäme aa» – wie Beat Rüegger betont. Besammlung zum Aktionstag ist um 9 Uhr beim Forstwerkhof, wo alle Mitmachenden von Gemeinderat Hans Rudolf Sägesser begrüsst werden. Sägesser gibt auch eine kurze Einführung zur Neophyten-Problematik und stellt das neue Neophyten-Bekämpfungskonzept in der Gemeinde vor. Dann geht es zur Sache. An diversen Standorten – vor allem im Wald – und in Gruppen sollen die Neophyten unter Anleitung von Fachleuten aus Bauamt, Forst und Naturschutzverein bekämpft werden. Es wird empfohlen, Handschuhe, lange Kleider und robuste Schuhe zu tragen sowie ein Zeckenschutzmittel aufzutragen. Nach der Arbeit kommt zum Abschluss das Vergnügen: Beim Forstwerkhof sind alle zum gemeinsamen Mittagessen und anschliessend zum gemütlichen Beisammensein eingeladen. Das Mittagessen wird von der Gemeinde, das Dessert vom Forstbetrieb Region Zofingen gesponsort.