Hanspeter Müller-Drossaart im zt Talk: «Ohne Bücher möchte ich mir keine Existenz vorstellen»
Die Jungen kennen ihn als Alois Mumentaler, den kiffenden Bundesrat aus «Cannabis», die Älteren haben ihn als Mario Corti aus «Grounding – die letzten Tage der Swissair» in guter Erinnerung: Hanspeter Müller-Drossaart ist einer der bekanntesten Schweizer Schauspieler. Daneben betätigt er sich als Literaturkritiker und -vermittler; auch dieses Jahr wird er an den Zofinger Literaturtagen (28. Bis 30. Oktober) eines der Gespräche moderieren. Er komme sehr gerne in die Thutstadt, «schon wegen dem studentischen Geist, der sich hier noch herumtreibt», sagt Müller-Drossaart in Anspielung auf die Studentenverbindung Zofingia.
Was macht für ihn richtig gute Literatur aus ? «Immer dann, wenn das Buch über das, was beschrieben wird, ins Universelle hinausweist.» Er und seine Frau lesen sich gegenseitig Bücher vor – zurzeit «Auf dem Wasser» von Guy des Maupassant (1850–18939); der Autor segelt der französischen Küste entlang und beschreibt die Menschen in ihrer Kriegssucht. «Wenn man das liest, hat man das Gefühl, es ist jetzt im Zusammenhang mit der Ukraine geschrieben worden.» Gute Literatur schaffe Analysen über den Menschen, die zeitlos seien.
Er sei eher ein Nachtleser, sagt Müller-Drossaart. Und überhaupt: «Ohne Bücher möchte ich mir keine Existenz vorstellen.»
Nächstes Jahr feiert sein neues Bühnenprojekt Premiere, das von seinem 1923 verstorbenen Grossvater handelt. «Wenn man älter wird (er wurde im September 67), fragt man immer mehr danach, woher man kommt. Wo sind meine Wurzeln? Wo gehöre ich hin?» Über seinen Grossvater wisse er praktisch nichts, ausser dass der Kutscher war und Touristen von Alpnachstad in ein Touristenhotel fuhr. «Ich fragte mich: Was hätte es sein können, wenn wir uns gekannt hätten?» – «Ich gehe auf die Suche nach etwas, was ein Vakuum in mir ist. Etwas, das ich vermisse.» Müller-Drossaart erfindet in dem Stück Geschichten über seinen Grossvater – gleichzeitig kommt die Figur eines lokalen Historikers vor, der ihm widerspricht.
Auf welche seiner Rollen wird er eigentlich immer wieder angesprochen? «Das ist eine Frage des Alterssegments», sagt er. «Die 17- bis 25-Jährigen sprechen mich natürlich auf «Cannabis» an.» Darin spielt er einen kiffenden Bundesrat. «Jeder Lehrer muss ja einmal das Thema Drogen behandeln – dann schaut man miteinander diesen Film an.» Die ältere Generation erinnere sich vor allem an «Die Herbstzeitlosen»; in dem Film spielt er einen «unter dem Hag durchfressenden» Pfarrer. Polit-Interessierte sprechen ihn immer wieder auf «Grounding» an. Darin spielt er den letzten Swissair-Chef Mario Corti, der Müller-Drossaart später ein Kompliment für seine Leistung gemacht hat.
Erfolgreich ist er mit seiner Veranstaltungsreihe «Der Witz – Die unterschätzte literarische Gattung». Literatur werde mit relevanter Hochkunst assoziiert. «Bei Witzen denkt man eher ans Gegenteil.» Aber: Das Erzählen von heiteren Begebenheiten räume die menschliche Endlichkeit für einen Moment aus. «Die Zeit bleibt stehen – das ist eine der Urquellen der Literatur.» Der Witz schaffe es, ein Stück Aggressivität zu bremsen, indem man über menschliche Unzulänglichkeiten lachen könne. Welchen Witz findet er besonders gut? Die Antwort ist im Video zu hören.
Gastland an den diesjährigen Zofinger Literaturtagen ist Spanien
Am 29. Oktober unterhält sich Hanspeter Müller-Drossart um 13 Uhr im Kulturhaus West mit dem spanischen Autor Miqi Otero über dessen Roman «Simón».