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Hydrologe Rolf Weingartner im zt Talk: «Städte wie Zofingen müssen grüner, wässriger und feuchter werden»

Seit 30 Jahren befasst sich der Hydrologe Rolf Weingartner mit allen Fragen rund um das Wasser in der Schweiz. Vom nassen Gold haben wir genug, sagt er. Aber ein umfassender Plan, wie wir damit umgehen, gebe es nicht, sagt er im zt Talk.

Weingartner studierte Geografie und wollte Gymnasiallehrer werden. Dann begann er sich mit dem Thema Wasser auseinanderzusetzen. «Einerseits ist es hochinteressantes Forschungsgebiet. Andererseits hat es einen hohen Praxisbezug. Das war mir immer sehr wichtig. So entstand eine lebenslange Liebesbeziehung mit der Hydrologie.»

In dieser Liebesbeziehung hat er gelernt: «Wir sehen zu wenig, wie wichtig Wasser ist. Und ja, es besteht ein relativ grosser Handlungsbedarf.» Im Mittelland gibt es laut Weingartner dazu drei Felder. «Erstens die Frage der Sommertrockenheit. Zweitens die Frage der Wasserqualität: Was hilft es uns, wenn wir genug Wasser haben, aber die Qualität nicht stimmt? Und drittens: In der Raumplanung hat man das Wasser vergessen.» Zwischen Thun und Bern gebe noch eine Stelle im ganzen Talkessel, wo noch eine Wasserfassung möglich wäre. «Im Mittelland ist es vielfach so, dass Stellen, wo man genug Wasser fassen könnte, schon durch andere Nutzungen belegt sind.» Die Probleme lägen also auf dem Tisch, sagt Weingartner. «Was es braucht, ist eine integrale Planung, wie wir damit umgehen wollen. Das Wissen ist gross. Aber wir handeln immer noch zu reaktiv. Wir sind beispielsweise gut, wenn es darum geht, die CS zu retten. Wir sind gut, wenn es darum geht, ein Hochwasser zu bewältigen – das hat man auch in Zofingen gesehen. Aber wir sind relativ schwach, wenn es darum geht, proaktiv vorwärtszuschauen.» Das gelte auch für den Umgang mit Wasser.

«Klimawandel ist ein systemisches Risiko», so Weingartner. Systemische Risiken würden grundsätzlich unterschätzt. «Man kann die Pandemie als Beispiel nehmen. Am Anfang wurde sie unterschätzt, plötzlich waren wir mittendrin.» Mit dem Klimawandel seien wir im täglichen Leben noch zu wenig betroffen. «Es passiert schleichend.» Man könne diese Herausforderung aber bewältigen, indem man sie locker, aber konsequent angehe.

Dazu gehören Massnahmen, die eine Kleinstadt wie Zofingen umsetzen muss, um die Folgen der Klimaerwärmung abzufedern. «Entscheidend in Kleinstädten sind Wasser und Grünflächen.» Wenn in heissen Phasen Wasser und Grünflächen vorhanden sind, verdunsten diese Wasser. Dazu wird sehr viel Energie benötigt, dadurch erwärmt sich die Luft weniger stark. «Städte müssen grüner, wässriger und feuchter werden.» Aus der Stadt Bern wisse man, dass ein begrünter Platz 10 bis 15 Grad kühler sei als eine reine Betonwüste, die erst noch in der Nacht abstrahlt. Hitze werde unterschätzt: «Wir sind, wie 2022, in der Badi –gleichzeitig spielt sich eine Naturkatastrophe ab.» 2003 starben in Europa infolge der Hitze 72000 Menschen, 2022 waren es 24000. Weil die Atmosphäre wärmer wird, steigt die Luftfeuchtigkeit – pro Grad um sieben Prozent. Die Intensität der Niederschläge steigt. Was heisst das für eine Stadt wie Zofingen? «Wichtig ist der Oberflächenabfluss. Manchmal entfalten kleine Massnahmen eine grosse Wirkung.» Eine wichtige Rolle könnten auch kleine Speicher spielen: Sie dienen bei Starkniederschlägen als Rückhaltebecken, in Trockenzeiten steht Wasser für die Landwirtschaft zur Verfügung. «Eine der Herausforderungen der Klimaerwärmung ist, das Wasser im Winter zurückzuhalten, damit es in Trockenphasen zur Verfügung steht.»

Hydrologe Weingartner an der Volkshochschule Zofingen

Prof. Dr. Rolf Weingartner doktorierte und habilitierte am Geographischen Institut der Universität Bern, mit Spezialisierung Hydrologie. Nach Auslandsaufenthalten leitete er 30 Jahre lang die Gruppe für Hydrologie an diesem Institut, zuletzt als ordentlicher Professor. Arbeitsschwerpunkte sind die Hydrologie der Schweiz, Hochwasserrisiken und Fragen rund um die Klimaerwärmung.  Er ist Mitinhaber der Firma ecosfera gmbh, die sich für Wasser, Wald und Ökosysteme engagiert.
Im Mai ist er gleich zweimal an der Volkshochschule Zofingen zu Gast: Am 3. Mai spricht er über das Wasser in der Schweiz und im Wiggertal, am 17. Mai hält er ein Vertiefungsreferat zum Thema «Wasserkraft – Hoffnungsträger oder Feindbild?». Beide Vorträge finden im Dachraum der Stadtbibliothek Zofingen statt und beginnen jeweils um 19.30 Uhr. Mehr Infos unter www.vhsag.ch/zofingen.