Informationen aus erster Hand zu einer möglichen Strommangellage
Murgenthal Regierungsrat Attiger vor der Oberst Künzli Gesellschaft
Regierungsrat Stephan Attiger informierte eingeladene Gäste und Gesellschafter der Oberst Künzli Gesellschaft in Murgenthal kürzlich über die drohende Strom-Mangellage im Energiesektor aus Sicht des Departementschefs. Er ordnete zuerst die Ausgangslage ein. Der beschlossene Atomausstieg, die bekannten Revisionsarbeiten an KKW’s in Frankreich und der Ukrainekrieg führen zu einem akuten Engpass, vor allem im kommenden Winterhalbjahr. Erneuerbare Energien stehen noch nicht in genügender Menge als Alternative zur Verfügung. Im Gegensatz zu einem Blackout, welcher technische Ursachen hat, aber entsprechend behoben werden kann, handelt es sich bei der befürchteten Strommangellage um ein Ressourcen-Problem, welches zwar voraussehbar ist, aber kurzfristig nicht verhindert werden kann. Genau deshalb muss die Mangellage im Rahmen des Möglichen im Voraus mit Massnahmen verhindert oder mindestens gemildert werden. Die sicherheitsrelevanten Elemente einer entsprechenden Planung sind Netzsicherheit, Garantie der Produktion von Strom und Effizienz im Verbrauch. Netze sind dann stabil, wenn die Stromspannung stabil bleibt, trotz unterschiedlichem Bezug und unregelmässiger Einspeisung. Gerade nicht steuerbare Kleinproduktionsanlagen (Photovoltaik) und Stromspitzenbezugszeiten sind eine Herausforderung für die Netzsicherheit. Im Viertelstundentakt sorgt swissgrid für Netzstabilität mit technischem Eingriff. Die bedarfsgerechte Stromproduktion im Gesamtjahresverbrauch und für Tagesspitzen ist zwar herausfordernd, aber beherrschbar. Kritisch ist der massive Mehrverbrauch bei verminderter Eigenproduktion im Winter. Anhand einer eindrücklichen Tabelle «Entwicklung Stromproduktion bei KKW Laufzeit 50 oder 60 Jahre» zeigte Attiger auf, dass ohne Überbrückung mit Atomstrom per sofort und mittelfristig ein erheblicher Importbedarf an Strom besteht, welcher die Strommangellage verschärft. Ein Aufschub des Atomausstiegs um 10 Jahre würde hier etwas Handlungsfreiraum schaffen. Attiger erklärte dies mit überzeugenden Argumenten. Überbrückung, auch mit Stromimporten, ist aber notwendig, weil erneuerbare Energien (ohne Wasserkraft, hauptsächlich Photovoltaik) zwar seit 2010 erheblich ansteigen, der geplante Richtwert für 2035 aber beim angeschlagenen Tempo nicht erreicht wird. Zudem ist bekanntlich die Produktion von Solarenergie gerade im Winterhalbjahr eher reduziert. Eine zusätzliche Herausforderung sind die fehlenden Rahmenabkommen betreffend Stromimport mit der EU. Angesichts dieser Prämissen ist Stromsparen per sofort angesagt. Wenn man aktuell möglichst nur Bandenergie (nicht speicherbare Energie, z. B. aus Flusswasserkraftwerken) benötigt und damit speicherbare Energie wie Gas, Öl und Energie aus Stauseen jetzt schonen kann, hat man im kalten Winter bei Strommangellage einen grösseren Puffer. Effizienz bei Privaten wie Unternehmen mit Einsatz von moderner LED-Lichttechnik, Waschen bei Nutzung der eigenen Solarenergie und Abschaltung unnötiger Verbraucher etc. macht also Sinn, und zwar per sofort. Stephan Attiger glaubt, dass angesichts der drohenden Strommangellage der Bundesrat rascher und entschlossener handeln und Kompetenzen für Notmassnahmen schon jetzt konkreter festlegen sollte. Auf Fragen zur Teilliberalisierung des Strommarktes meint Attiger, dass angesichts der politischen Entwicklung des börsenähnlich funktionierenden internationalen Strommarktes die Einkäufer überfordert sind und die Teilliberalisierung unter diesen Prämissen ein unerwünschtes Ungleichgewicht schafft, welches rasch mit politischen Eingriffen stabilisiert werden sollte. Zur Bemerkung, man habe die E-Mobilität wohl etwas zu früh als Ausweg aus der Klimakrise gelobt, meint Regierungsrat Attiger, dass man nicht vergessen sollte, dass neue Elektroautos schon bald als Pufferspeicher die fehlende Solarenergie in der Nacht und bei schlechtem Wetter überbrücken könnten.