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«Jede Tradition muss sich weiterentwickeln, damit sie nicht verloren geht»

Lukas Fankhauser, Stadtrat und Präsident der Kinderfestkommission, über die Schwierigkeit, das Wetter richtig einzuschätzen, den neuen Gefechtsablauf und die Tatsache, dass sich das Kinderfest jedes Jahr etwas anders präsentiert.

Die letzten Jahre hat sich das Gefecht während des Kinderfests immer etwas anders präsentiert. Dieses Jahr fängt es nun schon auf dem Thutplatz an. Wieso?

Letztes Jahr standen die Schulkinder während des Gefechts das erste Mal in der Obhut der Eltern und nicht mehr der Schule. Die Familien haben den Shuttle-Bus auf den Heitern genutzt oder sind alleine zu Fuss hochgelaufen. Der gemeinsame Marsch auf den Heitern fand nicht mehr statt. Das findet die Kinderfestkommission schade. Mit dem Start des Gefechts auf dem Thutplatz gibt es nun wieder einen Anlass, sich zu besammeln und dann gemeinsam auf den Heitern zu marschieren.

Was wird auf dem Thutplatz passieren?

Es gibt wirklich eine coole Sache: Soviel sei verraten: Wir nähern uns der ursprünglichen Variante des Gefechts an. Wie, das ist eine Überraschung. Wir rechnen nicht damit, dass sich die ganze Festgemeinde schon auf dem Thutplatz trifft, aber wenn es ein paar hundert Leute wären, dann wäre das ein toller Erfolg.

Das Gefecht findet nur bei schönem Wetter statt. Statistisch gesehen liegt die Chance für schönes Wetter aber nur bei etwa 40 Prozent. Wieso wurde unter diesen Voraussetzungen im letzten Jahr das Mischprogramm abgeschafft?

Das Mischprogramm ist eine sehr teure und aufwändige Programmvariante. Die Statistik der letzten 40 Jahre besagt tatsächlich, dass es nur 40 Prozent Schönwettertage gibt. In den letzten 10 Jahren lag die Chance für schönes Wetter aber bei über 50 Prozent. Daher hat es die Kinderfestkommission gewagt, das Mischprogramm abzuschaffen. Aber: Bevor wir in die Kirche gehen, entscheiden wir nicht nur über Schön- oder Schlechtwetterprogramm, wir entscheiden auch, ob das Gefecht trotzdem durchgeführt werden kann. Die Schülerinnen und Schüler sollen – wenn möglich – nicht eine Woche lang üben und trainieren und dann das Gefecht nicht vorführen können.

Wie schwierig ist der Entscheid, ob das Schön- oder Schlechtwetterprogramm stattfindet?

Der Entscheid, welches Programm durchgeführt wird, ist fast der wichtigste Entscheid am Kinderfest. Hier trägt die Kinderfestkommission eine grosse Verantwortung. Und so bin ich im Moment schon etwas wie auf Nadeln. Laut Langzeitprognose liegt die Schweiz am Rande eines Tiefdruckgebietes mit feuchter Luftlage… Vor zwei Jahren, im Jahr 2022, hat es geregnet, als wir den Programmentscheid fällen mussten. Wir arbeiten mit einem Ballonfahrer zusammen, der verschiedene Wettermodelle studiert und uns berät. Er hat damals voller Überzeugung gesagt, dass es am Nachmittag schönes Wetter geben wird – und wir haben den Entscheid fürs Schönwetterprogramm gefällt, was auch richtig war. Ein anderes Mal standen wir in Kontakt mit Meteo Suisse in Zürich. Sie haben den ganzen Tag gesagt, dass die Gewitterfront an Zofingen vorbeizieht – und dann kam doch mitten im Fest ein Gewitter.

Wann wird der Programmentscheid gefällt?

Es gibt mehrere Zeitpunkte. Das erste Mal sprechen wir am Donnerstagvormittag miteinander und treffen eine Vorentscheidung. Am Donnerstagabend kontrollieren wir, ob sich die Wetterprognose verändert hat. Das nächste Treffen ist dann am Freitagmorgen nach der Tagwache. Die definitive Entscheidung treffen wir, bevor wir in die Kirche gehen zur Morgenfeier. In der Kirche wird dann auch die Programmentscheidung bekanntgegeben.

Was bedeutet Schönwetter oder Schlechtwetterprogramm für die Logistik?

Es ist viel, viel einfacher, das Schönwetterprogramm durchzuführen. Die Festgemeinde ist gut gelaunt – schon das macht vieles einfacher. Und: Auf dem Heitern steht mehr Platz zur Verfügung. Beim BZZ ist es viel enger und unübersichtlicher.

Was bedeutet es für das Gefecht – und auch für das Kinderfest als Ganzes –, dass der «Verein Freunde und Gönner der Kadetten und Freischaren» nicht mehr die Verantwortung fürs Gefecht übernimmt?

Der Verein hat seine Statuten geändert. Laut den neuen Statuten hilft der Verein mit beim Kinderfest, stellt Leute zur Verfügung für die Ausbildung der Kadetten und denkt bei der Choreografie mit. Gleichzeitig liegt aber die Verantwortung fürs Gefecht nicht mehr beim Verein. Wer nun zuständig ist, ist nicht ganz klar. Vermutlich die Kinderfestkommission. Kurzfristig gibt es keine Veränderung des Kinderfests. Aber in Zukunft könnte es schwierig werden, die verantwortlichen Personen zu finden, die sich um das Gefecht kümmern.

Gibt es dann kein Gefecht mehr? Steht das Gefecht doch kurz vor der Abschaffung?

Nein, das wäre nicht eine Abschaffung, das wäre eher ein Ausfall des Gefechts, falls die jetzt verantwortlichen Personen ausfallen und es nicht gelingen würde, wieder jemand Neues zu finden. Eine Abschaffung ist keine Option, weil das Gefecht in der Gemeindeordnung festgeschrieben ist. Ich befürchte nicht, dass das Gefecht abgeschafft wird. Aber ich habe schon etwas Respekt davor, wie wir das in Zukunft organisieren.

Früher war das Kinderfest jedes Jahr gleich. Man wusste genau, was passiert, was auf einen zukommt. Jetzt verändert sich das Kinderfest jedes Jahr ein bisschen. Geht da nicht ein grosser Teil der Kinderfest-Tradition verloren?

Ich glaube, jede Tradition muss sich weiterentwickeln, damit sie nicht verloren geht. Auch die Basler Fasnacht hat einen traditionellen Ablauf und ist trotzdem jedes Jahr etwas anders. Der Kern macht die Tradition aus. Und der ist beim Kinderfest mit den fixen Programmpunkten Morgenumzug, Feier, Vorführung der Schule und Gefecht definiert. Um diese Elemente herum gibt es Veränderungen, so wie dieses Jahr mit dem Gefecht, das auf dem Thutplatz beginnt. Ganz früher hat das Gefecht übrigens ganz in der Stadt stattgefunden. Erst später wurde das Gefecht auf den Heitern verlegt.

Gefühlt immer gleich ist der Zapfenstreich. Die grosse Neuerung letztes Jahr war jedoch die Mehrwegbecher. Gibt es an diesem Konzept nochmals Anpassungen?

Wir kommen den Rückmeldungen der Restaurantbetreiber entgegen, dass das Zeitfenster, um die Mehrweggebinde abzuholen und zurückzugeben, sehr kurz gewesen ist. Wir beziehen wiederum das Material von der Firma Cup’n More, sorgen aber selber für die Verteilung der Becher. Die Chance Z! organisiert Ausgabe und Rücknahme der Gebinde und die Annahme und Abgabezeiten wurden verlängert. Der Rest bleibt gleich: Man kann jedes Gebinde an jedem Stand zurückgeben. Fläschchen und Büchsen werden mit einem Jeton begleitet und können zusammen zurückgegeben werden.

Und an welcher Bar trifft man Sie am Zapfenstreich an?

Überall. Mein Ziel ist, überall gewesen zu sein. Ich möchte ins Festgeschehen eintauchen. Traditionell bin ich vorwiegend auf dem Lindenplatz anzutreffen. Während meiner Jugendzeit und bevor ich in die Kinderfestkommission kam, habe ich den Zapfenstreich meist dort verbracht. Das ist mein «Stammlokal» am Zapfenstreich.

Und wie schaffen Sie es, am nächsten Morgen um 7 Uhr wieder fit zu sein für die Böllerschüsse?

Das frage ich mich auch immer (lacht). Es hat einfach immer geklappt. Ich stelle den Wecker und stehe auf, weil ich weiss, dass ich um 6.45 Uhr auf dem Heitern sein muss. Sonst verpasse ich den Anfang des Kinderfest-Tages.

Zur Person

Lukas Fankhauser ist ein Ur-Zofinger. Seine Eltern führten in der Unterstadt ein Geschäft. Mit wenigen Ausnahmen wohnte der 59-Jährige immer in Zofingen. Er ist verheiratet und Vater von vier Kindern im Alter von 18 bis 24 Jahren. Fankhauser nimmt für die SP Einsitz im Stadtrat und ist Präsident der Kinderfestkommission. Beruflich ist er Bereichsleiter in der Stiftung Lindenhof Oftringen und zuständig für den Bereich Services. (lbr)

Impressionen von der Fahnenübergabe am Kinderfest 2023. Lukas Fankhauser, Präsident der Kinderfestkommission, gradiert Zugführerin Felizia Bättig.
Bild: Lilly-Anne Brugger