
Lehrlinge gestalten Natur in der Kiesgrube
Rothrist Ein neuer Weiher für Gelbbauchunke und Kreuzkröte
Es ist heiss in der Kiesgrube Oberwiler Feld an einem dieser ersten Frühlingstage. Eine karge Landschaft, grau in grau. Fast gespenstisch ruhig ist es hier – eigentlich ein perfekter Ort für einen Filmdreh. Doch die drei Jungs, die hier warten, dürften gerade an anderes denken, stecken doch zwei von ihnen momentan mitten in den Abschlussprüfungen. Und heute wollen Michele Rollo (Rothrist), Mauricio Ribeiro (Rothrist) und Mateo Schär (Glashütten) zeigen, was sie in der Grube im Rahmen eines Lehrlingsprojekts geschaffen haben. Garantiert ohne filmreife Szenen. Die drei Lernenden, die in der Ausbildung zum Gärtner EFZ, Fachrichtung Garten- und Landschaftbau stecken, haben in der Grube selbständig einen natürlichen Weiher angelegt – nach Vorgaben, die ihnen Tobias Häfeli, Bauführer bei der Rhodo Gartenbau AG in Absprache mit Beat Rüegger, Co-Präsident Naturschutzverein Rothrist, auferlegte. «Ein cooles Projekt», wie Michele Rollo meint, bei dem alle drei Lernenden viel gelernt hätten.
«Auch von der Ausbildung her ist es ein hervorragendes Projekt gewesen», meint Tobias Häfeli, würde doch sich die Kundschaft bei der Anlage von neuen Gärten vermehrt auch für eine naturnahe Gestaltung interessieren. Und genau dort nahm das Projekt auch seinen Anfang – im Garten von Beat Rüegger. Die Gartenbaufirma durfte nämlich den Garten des Rothrister Naturschützers umgestalten und dort unter anderem einen Weiher anlegen. «Ich habe dann gemerkt, dass diese Arbeiten für die Lernenden mehr Neuland denn Routine waren», sagt Rüegger. Worauf Rüegger den Verantwortlichen der Rhodo Gartenbau, die auch für das Grubenmanagement zuständig sind, den Vorschlag machte, einen weiteren Weiher als Übungsobjekt in der Kiesgrube anzulegen. Eine erstklassige win-win-Situation, bei der sowohl Lernende als auch Naturschutz profitieren.
Viel mehr als Sand und Staub
Die Kiesgrube im Oberwiler Feld sieht für Aussenstehende vielleicht karg aus, sie ist aber nach wie vor ein interessanter Lebensraum mit einer ansehnlichen Artenvielfalt. Auch wenn diese im Verlauf der Jahre tendenziell abgenommen hat. Einerseits ist der Kies- und Sandabbau stark vorangeschritten, andererseits ist das in der Grube 1994 ausgeschiedene Naturschutzgebiet mit Feucht- und Trockenbiotop stark verlandet, der dortige Weiher nicht mehr vollständig dicht. Doch noch immer leben die stark gefährdeten Gelbbauchunken und Kreuzkröten hier. Samenfresser wie Distelfink, Bluthänfling, Girlitz oder Gartengrasmücke finden in der Kiesgrube Nahrung. Mauereidechsen, Blindschleichen, Libellen und Heuschrecken finden ebenfalls passende Lebensräume in der Grube.

Bild: Beat Rüegger / www.ornifoto.ch
Ermöglicht wurden diese Erfolge durch eine vorbildliche, unkomplizierte und einvernehmliche Zusammenarbeit aller Akteure auf dem Grubenareal – Einwohnergemeinde, Grubenbesitzer und Naturschutzverein. «Die Firmen der Hallwyler Unternehmungen tun viel für den Umweltschutz», sagt Beat Rüegger dankbar. 2002 wurde die Gebr. Hallwyler AG von der Stiftung Natur & Wirtschaft erstmals für die naturnahe Gestaltung ihrer Kiesabbaustelle im Oberwiler Feld ausgezeichnet. Dank der Umweltzertifizierung haben sich Unternehmer und Vertreter des Naturschutzes seither bei gemeinsamen Begehungen alljährlich über Unterhaltsmassnahmen auf dem Grubenareal verständigt.
Doch in den kommenden Jahren stehen grosse Veränderungen an. 2027 läuft die Abbaubewilligung für Kies und Sand aus – die Vorräte sind auch allmählich erschöpft. Klar ist, dass die Kiesgrube anschliessend aufgefüllt und als Landwirtschaftsland rekultiviert werden muss. Das Naturschutzgebiet bleibt bestehen, wird aber ebenfalls angehoben und wieder instand gestellt. «Die grosse Herausforderung wird sein, die ‹Umbauarbeiten› so schonend vorzunehmen, dass eine möglichst hohe Artenvielfalt in das wieder instandzustellende Naturschutzgebiet hinübergerettet werden kann», betont Beat Rüegger.
Rückzugsort für Amphibien in heissen Sommermonaten
Damit zurück zum eben umgesetzten Lehrlingsprojekt. Mit dem auf dem Grubenareal angelegten Übungsobjekt haben die drei Lernenden einen Weiher geschaffen, der in erster Linie auf die Zielarten Gelbbauchunke und Kreuzkröte ausgelegt ist. Und auf die heissen Sommermonate. Denn der Weiher ist deutlich tiefer angelegt, als es ein üblicher Amphibienweiher ist. «Wir haben festgestellt, dass die Amphibienweiher in heissen Jahren oft vollständig austrockneten», erklärt Tobias Häfeli. Für die Anlage des Weihers haben die Lernenden den starken Brombeer-Bewuchs entfernt und Weiden gerodet, das Restwasser des bestehenden, aber nicht dichten Teichs abgepumpt. Dann wurde der Aushub mit Bagger vorgenommen und das Material per Dumper abgeführt. «Ein besonders wertvoller Teil, dass die Lernenden hier mit grossen Maschinen üben konnten», betont ihr Projektleiter Tobias Häfeli, weil sie diese Arbeiten in Privatgärten nicht ausüben dürften. Dann wurde der neue Weiher mit rund neunzig Tonnen Lehm modelliert und verdichtet. Zudem legten die drei Lernenden gleich noch ökologische Kleinstrukturen an: Ein Lehmblock, der als Wildbienenhotel dient, weiter wurden Asthaufen, Holzbeige und Steinhaufen angelegt, die Gelbbauchunken, Kreuzkröten und Eidechsen als Unterschlupf dienen, wenn etwa der Turmfalke im Grubenareal jagt.

Bild: Thomas Fürst
Die Arbeiten am neuen Weiher wurden in den Monaten Januar und Februar vorgenommen, weil das für die in der Grube lebenden Tierarten am schonendsten war. Dabei mussten die Arbeiten aufgrund des schlechten Wetters mehrmals unterbrochen werden. «Ich würde gerne nochmals an so einem Projekt mitarbeiten», sagt Mauricio Ribeiro lachend, «aber lieber bei anderem Wetter …». Dem Wetter zum Trotz: Das Projekt sei auch als Prüfungsvorbereitung toll gewesen, meinen die beiden 3.-Lehrjahrstifte Michele Rollo und Mauricio Ribeiro übereinstimmend. Auch der 1.-Lehrjahrstift Mateo Schär ist begeistert. «In der Berufsschule gibt es keinen Kollegen, der ein Projekt selbständig ausführen oder einen natürlichen Weiher anlegen durfte», betont er. Und ja, dann kam natürlich noch der grosse Moment, als der Weiher erstmals mit Wasser gefüllt wurde. Ist er dicht? «Bis jetzt schon», sagen die drei lachend. Und machen sich dann auf an ihre Arbeitsplätze.

Bild: Beat Rüegger / www.ornifoto.ch

Bild: zvg

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