Markttreiben, viel Musik und herzliche Begegnungen
Rothrist Samstag, 11. Juni, 10 – 19 Uhr: Herzlich willkommen zum Chäferfescht in der Borna
Unter einer braunen Schürze leuchtet von weit her ein auffällig roter Pullover. «Die Schürze schützt ein bisschen vor den Haaren – ein Gemisch von synthetischen und Rosshaar», erläutert Tina Fritschi. Dann zieht sie einen Kupferdraht durchs Bürstenholz und bildet mit diesem eine Schlaufe. «Nun kommen die Haare dran», erläutert sie weiter und drückt auf das Pedal der Maschine, die vor ihr steht. Durch den Druck auf das Pedal gibt die Maschine ein Haarbüschel frei. Tina Fritschi führt das Büschel durch die Schlaufe, faltet dieses über dem Kupferdraht in der Mitte zusammen und zieht dann den Kupferdraht wieder zurück. Dann wiederholt sie das gesamte Prozedere, bis jedes vorgebohrte Loch mit Bürstenhaar besetzt ist. «In der Schreinerei wird der Besen fertiggestellt, erklärt die 46-Jährige weiter, dort würden Bürstendeckel und Stiel angebracht und das Haar auf eine einheitliche Länge zurückgeschnitten.
So einfach ist es also, einen Besen herzustellen. Wenn man weiss, wie es geht. Tina Fritschi weiss das, denn sie ist ausgebildete Sesselflechterin. Das zusätzliche Wissen einer Bürstenmacherin hat sie sich in der Borna angeeignet – in den 13 Jahren, in denen sie schon in der Rothrister Arbeits- und Wohngemeinschaft lebt. Sie schätzt die abwechslungsreichen Arbeiten, welche sie in den beiden Abteilungen Bürstenmacherei/Sesselflechterei sowie Verpackung ausführungen darf und ist stolz auf die Qualität «ihrer» Produkte. «Unsere Besen und Bürsten werden ausschliesslich in sorgfältiger Handarbeit hergestellt, das ergibt einfach eine ganz andere Qualität als bei industriell hergestellten Produkten», betont sie.
Werkstätten ohne laute Maschinen
«Unsere Werkstätten liefern nicht nur Qualität, sie haben auch eine ganz besondere Qualität», fügt Heimleiterin Christine Lerch an. Da die Arbeiten in den Werkstätten ohne störende Geräusche von lauten Maschinen ausgeführt werden könnten, könnten die Leute in der Werkstatt zwischendurch auch mal einen «Schwatz» abhalten, meint sie.
Einer, mit dem sich Tina Fritschi gelegentlich austauschen kann, ist Markus Moser. Der allzeit fröhliche 50-Jährige ist ein Allrounder, der die vielfältigen Einsätze in- und ausserhalb der Borna sehr schätzt. Seit 34 Jahren arbeitet, seit neun Jahren wohnt er auch in der Borna. «Heute bin ich bei einem Grossauftrag im Einsatz – wir müssen zu kurze Röhrchen bei einem Seifenspender mit längeren ersetzen», sagt er. Morgen sei er im Coop Langenthal im Einsatz und dann vielleicht wieder in der Bürstenbinderei oder in der Verpackung – dort, wo es eben Arbeitskräfte brauche. Und nicht zu vergessen: «Markus ist der beste Tannenbaumverkäufer der Borna», fügt Christine Lerch an.
Grosse Vorfreude auf das Chäferfescht
So beschäftigt Tina Fritschi und Markus Moser mit ihren Arbeiten sind, so sehr freuen sich beide auf den kommenden Samstag. Nach 2019 findet endlich wieder ein Chäferfescht in der Borna statt! «Das ist das nächste Highlight in der Borna», sagt Tina Fritschi, die vor allem dafür dankbar ist, dass sie Familie und Freunde wieder ohne Einschränkungen treffen kann. Die Kontakte gegen aussen hätten ihr während der Corona-Zeit sehr gefehlt, meint sie. «Und ich freue mich auch auf die Musik und das gute Essen», fügt Markus Moser lachend an.
Zusammensitzen und geniessen
Nicht wesentlich anders als andere Jahre sieht das Programm des Chäferfeschts aus. Von 10 bis 19 Uhr können Besucherinnen und Besucher durch die Marktstände schlendern und sich mit Schönem, Nützlichem und auch Feinem wie den beliebten Waffeln aus der Borna eindecken. Um 11 Uhr haben die Borna Singers, die aus der Borna-Gesangsgruppe hervorgegangen sind, ihren Auftritt. Die neue Leiterin der Borna Singers, Sonja von Mühlenen, hat etwas neuen Wind in die 15-köpfige Formation gebracht. «Wir beide sind nicht dabei, aber wenn Musik gespielt wird, sind wir immer dabei», sagt Tina Fritschi lachend. Und ein zahlreiches Publikum hoffentlich auch … Weiter spielen um 14 Uhr Mario Correale, um 17 Uhr Polo Budget, eine Polo Hofer Tribute Band auf. Die Chäferfescht-Besucherinnen und -Besucher sind zum Mitsingen bei Alperose, Kiosk, Teddybär und wie all die Hits des leider verstorbenen «Polo National» heissen, eingeladen.
Für gute Laune sorgt sicher auch die Festwirtschaft, die von den Mitarbeitenden der Borna und vielen freiwilligen Helfenden geführt wird. Was gibt es da Gemütlicheres als einfach zusammenzusitzen und zu geniessen – im Kreise von Menschen mit und Menschen ohne Beeinträchtigungen?
Mit dem Neubau wird es jetzt konkret
Ein Projekt, das Verwaltungsrat und Geschäftsleitung der Borna über Jahre hinweg beschäftigte, war der geplante Neubau. Die erste Strategie wurde 2014 entwickelt, zahlreiche Überarbeitungen des Projekts folgten in regelmässigen Abständen ebenso wie ein zweijähriges Moratorium. Doch nun ist für das Langzeitprojekt endlich Land in Sicht – der Baustart für die Wohnliegenschaft soll defintiv im Januar 2023, jener für die Werkstätten im Herbst 2023 erfolgen. «Es ist höchste Zeit dafür», betont Gesamtleiterin Christine Lerch, weil die Genossenschaft Borna in Erwartung des Neubaus in den vergangenen Jahren sehr zurückhaltend in den Unterhalt der Liegenschaften investiert habe und weil die Abläufe in den Werkstätten nicht mehr effizient erfolgen könnten.
Doch das lange Warten auf grünes Licht aus Aarau bringt für die Borna höchst unerfreuliche «Nebenwirkungen» mit sich. Anstelle der ursprünglich veranschlagten Bausumme von 61 Mio. Franken kostet das Neubauprojekt nun auf Grund der momentan bestehenden Lieferschwierigkeiten und der allgemeinen Teuerung plötzlich 66 Mio. Franken. An den Mehrkosten muss sich die Rothrister Genossenschaft mit einem substanziellen Beitrag beteilligen – und ist deshalb auf Spenden angewiesen. Deshalb wird in einem separaten Zelt, in dem ausführlich über das Neubauprojekt informiert wird, ein grosses «Säuli» aufgestellt. Dort können Besucherinnen und Besucher einen kleineren oder grösseren «Batzen» deponieren. «Wir sind dankbar für jede Spende», betont Christine Lerch. Die grosse «Züglete» ist dann auf April 2025 vorgesehen.