Seltene Einblicke ins Herzstück eines Wasserkraftwerks
Boningen Im Wasserkraftwerk Ruppoldingen wurde Ende 2023 eine der beiden Turbinen revidiert
«Wir haben ein wenig Pech», meinte Leo Gärtner von der Alpiq Hydro Aare AG auf dem Rundgang durchs Wasserkraftwerk Ruppoldingen. «Jetzt hätte es mehr als genug Wasser für beide Turbinen», meinte er mit einem leichten Bedauern in der Stimme, nun fliesse halt viel Wasser ungenutzt über die Wehröffnung ab. Dafür waren für einmal Einblicke ins Herzstück eines Wasserkraftwerks möglich, die unter Betrieb nicht erfolgen können. Die offene Turbine konnte besichtigt werden.
Viel Spannendes erfahren
Vor dem Gang in die Tiefe erfuhren die Besucherinnen und Besucher viel Wissenswertes. Aus dem Rechen werden rund 750 Tonnen Material pro Jahr entfernt werden, was im Normalfall einer vollen Mulde alle 1 – 2 Wochen entspricht. Im 72 Meter langen Wehrgang tief unter dem Wasser sind mehrere Messkästen angebracht, die mittels Sonden Verschiebungen, Senkungen und Veränderungen im geostatischen Druck überwachen. Die Steuerung des Kraftwerks Ruppoldingen erfolgt nicht vor Ort, sondern vom Kraftwerk Flumenthal aus.
Fast sechs Meter Durchmesser
Nach dem Einstieg durch eine schmale Luke konnte dann der eigentliche «Star» der Begehung besichtigt werden. Die Ruppoldinger Kaplanturbinen gehören mit einem Durchmesser von 5,9 Metern zu den grössten Laufrädern in der Schweiz. Es sei mehr eine Inspektion als eine Revision, erklärte Leo Gärtner vor dem Turbinenrad, denn mechanisch werde nichts ersetzt. Man benutze aber die Gelegenheit zum Ersatz elektronischer Bestandteile. Mit einer mittleren Jahresproduktion von 115 GWh pro Jahr versorgt Ruppoldingen rund 30´000 Haushaltungen jährlich mit Strom.
Seit 1896 Strom aus Ruppoldingen
1894 erhielt das Elektrizitätswerk Olten-Aarburg die für 100 Jahre erteilte Konzession für den Betrieb des Kraftwerks Ruppoldingen, welches 1896 seinen Betrieb aufnahm und nach drei Jahren Bauzeit im Frühling 1897 fertiggestellt werden konnte. Schon bald stiess das neue Kraftwerk an Kapazitätsgrenzen. 1904 wurde auf dem Born ein Pumpspeicherwerk errichtet, 1906/07 wurden zusätzliche Dampfturbinen zur Leistungssteigerung eingesetzt.
Nach umfangreichen Vorabklärungen entschied sich die Atel anfangs der 1990-er-Jahre für einen Neubau, für den die beiden Kantone Aargau und Solothurn eine Konzession für die Jahre 1995 – 2075 erteilten. Beim Neubau des Kraftwerks erfolgte auch eine vorbildliche Umsetzung verschiedenster Massnahmen im Umweltschutzbereich: Flachwasserzone, Auenwald oder Umbau des Kanals des alten Kraftwerks in ein schnellfliessendes Gewässer für strömungsliebende Wasserbewohner sind Beispiele dafür.