Urnenabstimmungen über wichtige Sachgeschäfte
Rothrist Mitteilung der Gemeinde
Im Zusammenhang mit den Gemeindeversammlungsbeschlüssen der vergangenen Jahre zum Thema «Wiggertalstrasse» und «Zusammenschluss der Energieversorger» wurde in den Medien oder in persönlichen Gesprächen mit der Bevölkerung immer wieder das Unverständnis ausgedrückt, warum man derart kostenintensive Projekte oder wichtige Sachgeschäfte nicht zwingend einer Urnenabstimmung unterstelle, damit möglichst viele Stimmberechtigte darüber befinden könnten. Dadurch könnte auf das aufwändige Sammeln von Unterschriften für ein Referendum verzichtet werden.
Der Gemeinderat hat Verständnis für diese Sichtweise. Die gesetzlichen Bestimmungen lassen dies im Kanton Aargau jedoch nicht zu.
Massgebend ist das Gesetz
Massgebend ist das Gesetz über die Einwohnergemeinden (GG). Demnach unterstehen die Gemeinden entweder der Organisation mit Gemeindeversammlung oder derjenigen mit Einwohnerrat (wie z.B. Zofingen). Gemäss der Gemeindeordnung ist in Rothrist die Gemeindeversammlung das oberste Organ. Deren Aufgaben und Befugnisse sind in § 20 GG definiert. So ist die Gemeindeversammlung beispielsweise für die Bewilligung von Verpflichtungskrediten oder für die Beteiligung der Gemeinde an Aktiengesellschaften zuständig. Diese Gemeindeversammlungsbeschlüsse unterstehen jeweils dem fakultativen Referendum, d.h. sie werden rechtskräftig, wenn nicht innert der gesetzlichen Frist das Referendum dagegen ergriffen wird.
Ein sogenanntes «obligatorisches Referendum», wonach Gemeindeversammlungsbeschlüsse immer – d.h. ohne Unterschriftensammlung – der Urnenabstimmung unterliegen, gibt es im Kanton Aargau nur in folgenden Fällen:
- Beim Erlass oder bei einer Änderung der Gemeindeordnung.
- Bei Änderungen im Bestand der Gemeinde (z.B. bei einer Fusion mit einer anderen Gemeinde).
- Bei der Einführung der Organisation mit Einwohnerrat.
Es ist den Gemeinden im Kanton Aargau nicht gestattet, weitere Sachgeschäfte dem obligatorischen Referendum zu unterstellen oder sogar direkt an der Urne, d.h. ohne vorgängigen Gemeindeversammlungsbeschluss, darüber abstimmen zu lassen. Falls eine Gemeinde dies in ihrer Gemeindeordnung trotzdem so vorsehen sollte, würde die entsprechende Bestimmung vom Kanton für ungültig erklärt.
Man mag argumentieren, dass ein Entscheid, der von 2’000 Stimmberechtigten an der Urne gefällt wurde, eine deutlich grössere demokratische Legitimation aufweist, als wenn lediglich 150 Personen an der Gemeindeversammlung darüber abgestimmt haben. Der Gesetzgeber im Kanton Aargau hat jedoch der Gemeindeversammlung ganz bewusst einen hohen Stellenwert eingeräumt. An der Gemeindeversammlung können die Stimmberechtigten nämlich diskutieren sowie Fragen und Anträge stellen, was bei einer Urnenabstimmung nicht möglich ist. Es handelt sich somit um direkte Demokratie in Reinkultur. Der offene Prozess der politischen Meinungs- und Willensbildung bedeutet eine gewichtige Legitimation des Mehrheitsentscheides.